Deutsche hadern gleichermaßen mit Markt und Staat
Zwischen Markt und Staat
Umfrage zu wirtschaftspolitischen Narrativen der Wähler – Kritik an übergriffiger Politik
Die Bürger eint zwar eine marktkritische Grundhaltung, aber von kleinteiligen Eingriffen der Politik halten sie ebenfalls wenig, zeigt eine Umfrage. ZEW-Chef Wambach und der Ökonom Südekum mahnen, dass im Wahlkampf wirtschaftspolitische Fragen zu kurz kommen, und wenn, dann nur extrem polarisierend angegangen werden.
lz Frankfurt
Die Mehrheit der Deutschen zeigt große Skepsis im Hinblick auf die Rolle der Märkte. Letztlich sollten Richtungsentscheidungen von den gewählten Vertretern getroffen werden und nicht von Akteuren auf „den Märkten“, geht aus einer Umfrage des „Forum New Economy“ hervor. Dafür wurden knapp 1.990 Bürger mit aktuellen politischen Narrativen konfrontiert. Je nach Parteienpräferenz ist die Marktskepsis unterschiedlich ausgeprägt – doch selbst unter FDP-Wählern ist der Anteil beachtlich.
Die Einschätzung der Befragten wirft auch ein Licht auf die Forderung, die Klimatransformation mehr über den CO2-Preis und weniger durch kleinteilige Vorgaben und Sanktionen zu steuern. Die Bürger plädieren hier für mehr Technologieoffenheit (67%) und sprechen sich gegen konkrete Anordnungen für beispielsweise Heizungsanlagen aus. Zugleich sehen sie den Staat in der Pflicht, zunächst die nötigen Vorarbeiten zu leisten (u.a. Ladeinfrastruktur). Unklar bleibt aber, wie sie antworten würden, wenn der CO2-Preis wie das Heizungsgesetz konkret wird und Zumutungen mit sich bringt.
CO2-Preis als Lackmustest?
Nach Meinung von Jens Südekum, Ökonom an der Universität Düsseldorf, würden dann auch jene Ökonomen, die sich explizit für den CO2-Preis statt Subventionen und Verboten aussprechen, schnell zurückrudern, sagte er in der Debatte des New Economy Forum. Dann würden auch sie schnell nach einem Preisdeckel rufen. Achim Wambach, Chef des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim, verwies auf die insgesamt niedrigeren Transformationskosten durch Steuerung über Marktpreise, räumt aber ein, dass man stärker auf einen sozialen Ausgleich setzen müsse.
Transformationsforscherin Maja Göpel führt die aktuelle Zurückhaltung der Bürger bei der Klimapolitik auch auf das Versagen der Ampelpolitik zurück: Die Zumutungen seien exekutiert, das Klimageld aber zurückgehalten worden, was die soziale Schieflage erhöht habe. Der Staat müsse den Klimaumbau, wie die Umfrage zeigt, mehr über Anreize statt Strafen vorantreiben. Das schaffe Vertrauen.
Debatte über Wirtschaftskurs fehlt
Insgesamt klagen alle drei Ökonomen, dass zu wenig über zentrale wirtschaftspolitische Weichenstellungen geredet werde. Stattdessen verstärkten die Wahlkämpfer die Polarisierung und bauten Feindbilder auf. Die Bürger, so Jan Eichhorn vom Umfrageunternehmen d/part, würden dadurch noch stärker verunsichert und verlören das Vertrauen in die etablierte Politik.
Wambach verwies auf die recht unterschiedlichen Wahlprogramme: mehr Staat oder mehr Markt, mehr Umverteilung oder mehr Leistungsanreize, allgemeine Steuersenkungen oder selektive Investitionsprämien. „Die Bürger haben tatsächlich eine Wahl“ betonte er. Eine Debatte würde sich lohnen. Aber davor drückten sich die Parteien aktuell. Dabei gehe es um den Wohlstand der Deutschen. „Wenn es der Wirtschaft gut geht, ist das die beste Sozialpolitik“, heißt eines der abgefragten Narrative. 78% der Bürger stimmen dieser Aussage zu.