Deutsche Inflation zieht überraschend kräftig an
Deutsche Inflation zieht kräftig an
Teuerung klettert auf 2,4 Prozent nach europäischer Berechnungsmethode – Kernrate steigt ebenfalls
Die Inflation steigt in Deutschland im Oktober deutlich stärker als erwartet. Der Preisanstieg zeigt sich dabei auf breiter Front. Auch in Spanien legt die Inflation zu. Für die EZB sind die Inflationsdaten eine Enttäuschung. Eine Zinssenkung der Notenbank um 50 Basispunkte im Dezember wird unwahrscheinlicher.
mpi Frankfurt
Die Befürworter einer großen Zinssenkung der EZB im Dezember müssen einen Rückschlag verkraften. Die Inflation in Deutschland ist nach einer Erstschätzung des Statistischen Bundesamtes (Destatis) im Oktober deutlich gestiegen. Nach europäischer Berechnungsmethode HVPI legte die Teuerung von 1,8% auf 2,4% zu. Nach nationaler Berechnung beträgt der Anstieg 0,4 Prozentpunkte.
„Autsch, das tut weh“, kommentierte Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank, die unerwartet hohe Inflation. Anders als prognostiziert führten nicht nur im Jahresvergleich höhere Energiepreise zu einer Zunahme der Teuerung, sondern ein Preisanstieg auf breiter Front. Dementsprechend legte die Kerninflation von 2,7 auf 2,9% zu. Diese gilt Notenbankern als guter Indikator für den zugrundeliegenden Inflationsdruck, da hierbei die volatilen Lebensmittel und Energiepreise nicht berücksichtigt sind.
Schlechte Nachrichten für die EZB
Für die EZB sind das keine guten Nachrichten. Zumal auch die Inflation in Spanien mit 1,8% nach HVPI etwas kräftiger gestiegen ist als vorhergesagt. Entgegen den ursprünglichen Erwartungen könnte damit die Inflation für die Eurozone im Oktober auf 2,0% oder darüber klettern. Allerdings ist diese Prognose mit einiger Unsicherheit behaftet, da die Daten für die großen Volkswirtschaften Frankreich und Italien ebenso wie die Zahlen für die Eurozone erst am Donnerstag veröffentlicht werden.
Die Kerninflation in Deutschland ist vor allem wegen eines Preisanstiegs für Dienstleistungen gestiegen. „Ausschlaggebend für die stark steigenden Dienstleistungspreise dürfte die spürbare Zunahme der Lohnkosten sein, von denen die Unternehmen im zumeist arbeitsintensiven Dienstleistungssektor besonders stark betroffen sind“, sagte Ralph Solveen, Ökonom bei der Commerzbank. Auch für die kommenden Monate erwartet Solveen keinen deutlichen Rückgang der Teuerung bei Dienstleistungen – und damit auch kaum Fortschritte bei der Kerninflation. Allenfalls die schwache wirtschaftliche Dynamik in Deutschland könne den Inflationsdruck etwas senken. Wobei die deutsche Wirtschaft im drittel Quartal überraschend gewachsen ist, wie Destatis ebenfalls am Mittwoch in einer vorläufigen Schätzung mitteilte.
„Die Schnellschätzung der deutschen Inflation im Oktober könnte dazu führen, dass einige Mitglieder der Europäischen Zentralbank die jüngste Zinssenkung und die neue Offenheit der EZB für aggressivere Zinssenkungen bereuen“, urteilt ING-Chefökonom Carsten Brzeski. Am Rande der Jahrestagung von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank in Washington hatten sich einige EZB-Ratsmitglieder offen für eine Zinssenkung um 50 Basispunkte im Dezember gezeigt. Sie begründeten dies mit dem schwachen Wirtschaftswachstum in der Eurozone und dem damit verbunden günstigeren Inflationsausblick. Diese erhält nun durch die Inflationsdaten für Oktober einen Dämpfer.
Die neuen Daten zum Wirtschaftswachstum und zur Inflation „dürften die EZB-Falken dazu ermutigen, Einwände gegen eine Zinssenkung um 50 Basispunkte im Dezember zu erheben“, meint Brzeski. „Zumindest für den Moment.“ Bis zur nächsten Zinssitzung der EZB fallen noch einige Wirtschaftsdaten an und die Notenbank dürfte auch mit Interesse den Ausgang der Präsidentschaftswahl in den USA verfolgen. Sollte der Republikaner Donald Trump die Wahl gewinnen, dürfte dies große Auswirkungen auf die weltwirtschaftliche Entwicklung und damit die Inflation haben. Trump droht insbesondere China mit hohen Zöllen, was einen Handelskrieg auslösen könnte. Die konkreten Auswirkungen der Handelspolitik des Wahlsiegers werden allerdings erst ab 2025 ersichtlich.
Keine neue Inflationswelle
Unabhängig vom Wahlausgang dürfte die Inflation im Euroraum bis zum Jahresende weiter steigen. „Das ist nicht der Beginn einer zweiten Teuerungswelle“, ordnet Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank, ein. Der erwartete Anstieg ist auf statistische Effekte zurückzuführen. Die Energiepreise waren vor einem Jahr recht niedrig, was nun die Inflationsraten nach oben drückt.
Interessanter wird für die EZB daher sein, wie sich die Kerninflation, die Löhne und die Teuerung bei Dienstleistungen in Deutschland und im Euroraum weiterentwickeln. Nach einigen positiven Überraschungen in Folge, sind die deutschen und spanischen Oktober-Inflationsdaten in dieser Hinsicht eine Enttäuschung.