„Löhne sind der letzte Dominostein für die EZB“
„Die Löhne sind der letzte Dominostein für die EZB“
Im Interview: Konstantin Veit
Der Portfoliomanager von Pimco hält eine längere Zinspause in diesem Jahr für denkbar – Pessimismus für die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands
Das Lohnwachstum der Eurozone muss deutlich nachlassen, damit die EZB ihr Inflationsziel erreicht. Konstantin Veit, Portfoliomanager und Anleihespezialist bei Pimco, ist zuversichtlich, dass dies eintreten wird. Weshalb, erklärt er im Interview der Börsen-Zeitung.
Herr Veit, die Inflation im Euroraum ist zuletzt zwar gestiegen, jedoch vor allem aufgrund von vorübergehenden statistischen Basiseffekten. Wie optimistisch sind Sie, dass die EZB ihr Inflationsziel in diesem Jahr nachhaltig erreicht?
Ich bin recht einverstanden mit der aktuellen Inflationsprognose der EZB. Wenn sich das Lohnwachstum wie erwartet auf rund 3% abschwächt, dann steht dem Inflationsziel der Notenbank eigentlich nichts mehr groß im Wege. Die Löhne sind der letzte Dominostein für die EZB, der noch fallen muss.
Was ist mit Donald Trump? Der künftige US-Präsident könnte mit seiner Wirtschaftspolitik den Inflationsdruck erhöhen – auch in der Eurozone.
Es ist sehr schwer zu sagen, was Trump alles implementieren wird. Dementsprechend ist es schwierig, die genauen Auswirkungen seiner Politik vorherzusagen. Beim Wirtschaftswachstum ist ein negativer Effekt für die Eurozone wahrscheinlich. Bei der Inflation halten sich die Aufwärts- und Abwärtsrisiken in etwa die Waage. Für die USA ist hingegen eine höhere Inflation wahrscheinlicher, während die Risiken beim Wachstum symmetrisch sind.
Die EZB toleriert nicht, ihr Inflationsziel in diesem Jahr zu verpassen.
Konstantin Veit, Portfoliomanager von Pimco
Die EZB dürfte Ende Januar die Leitzinsen um 25 Basispunkte senken. Wie stark wird der Einlagensatz Ihrer Prognose nach in diesem Jahr fallen?
Ich denke, die nächsten beiden Zinsschritte um jeweils 25 Basispunkte sind recht einfach für die EZB. Dann liegt der Einlagensatz mit 2,5% auf einem Niveau, wo die Notenbank genauer hinschauen muss, ob die Geldpolitik noch restriktiv wirkt, oder dies nicht mehr der Fall ist. Wir dürfen eines nicht vergessen. Die aktuellen Projektionen der Notenbank preisen ein, dass die EZB ihr Inflationsziel erst im vierten Quartal nachhaltig erreicht. Viel fehlt da nicht, und es verschiebt sich ins erste Quartal 2026. Die EZB toleriert aber nicht, ihr Inflationsziel in diesem Jahr zu verpassen. Daher dürfte sie bei der Lockerung der Geldpolitik vorsichtig agieren. Es könnte also durchaus mal eine Zinspause dieses Jahr geben, falls neue Prognosen das Erreichen des Inflationsziels für 2025 infrage stellen.
Eine Zinssenkung der EZB irgendwann in diesem Jahr um 50 Basispunkte, wie von manchen Anlegern spekuliert, ist also kein Thema?
Dafür bräuchte es einen größeren inflationsdämpfenden Effekt durch die Wirtschaftspolitik der USA. Ansonsten dürfte die EZB bei ihrem Ansatz der graduellen Lockerung bleiben.
Was ist das größere Risiko für die EZB, eine mittelfristig zu niedrige oder zu hohe Inflation?
Beides ist in etwa gleich wahrscheinlich.
Wir sehen einige Anzeichen, dass sich der Arbeitsmarkt abschwächt
Konstantin Veit, Portfoliomanager von Pimco
Ein Rückgang beim Lohnwachstum ist für die EZB von entscheidender Bedeutung. Weshalb sind Sie zuversichtlich, dass dies eintritt? Zuletzt sind die Löhne ja noch kräftig gestiegen.
Die Arbeitslosenquote im Euroraum ist zwar weiterhin gering, doch wir sehen einige Anzeichen, dass sich der Arbeitsmarkt abschwächt. Das zeigt etwa der Blick auf die Anzahl der freien Stellen, die Einkaufsmanagerindizes oder die Lohnforderungen der Gewerkschaften. Bei den Gewerkschaften verschiebt sich gerade der Fokus von hohen Lohnforderungen auf moderatere Steigerungen in Kombination mit Garantien für die Arbeitsplatzsicherheit. VW ist dafür ein gutes Beispiel.
Die Konjunktur in der Eurozone erholt sich nur langsam. Was auch daran liegt, dass der private Konsum nicht anzieht, auch wenn die EZB das bereits seit langem vergeblich prognostiziert. Warum bleiben die Verbraucher trotz Reallohnzunahmen sparsam?
Wir haben in der Eurozone kein Klima, das übermäßig hilfreich ist für Konsum oder Investitionen. Ich erwarte auch nicht, dass sich das bald ändert. Die geopolitischen Spannungen bleiben. Zudem haben wir schwierige innenpolitische Verhältnisse in einigen Euro-Ländern, darunter in den zwei größten Volkswirtschaften, Deutschland und Frankreich.
In etwas mehr als einem Monat stehen Neuwahlen in Deutschland an. Erwarten Sie, dass von der neuen Regierung positive Impulse für die Wirtschaft ausgehen?
Ich bin da leider nicht sehr optimistisch. Deutschland will in zwei Dingen immer Weltmeister werden: im Fußball und im Export. Letzteres führt aber dazu, dass die deutsche Wirtschaft viel zu abhängig ist von der ausländischen Nachfrage. Die neue Bundesregierung müsste daher dafür sorgen, dass die heimische Nachfrage und der Dienstleistungssektor strukturell gestärkt wird, und die Wirtschaftsstruktur insgesamt besser diversifiziert ist. Ich sehe allerdings keine politische Partei, die dies erkannt zu haben scheint. Daher ist für mich kein größerer wirtschaftlicher Aufschwung in Deutschland in Sicht.
Ex-Bundesfinanzminister Christian Lindner schlug jüngst vor, die EZB sollte auch Bitcoins als Reserve halten. Was halten Sie von der Idee?
Grundsätzlich gibt es keine Fundamentaldaten, die den Wert von Bitcoin bestimmen, wie es bei Aktien, Anleihen oder Gold der Fall ist. Es gibt nur Knappheit. Von daher ist es unwahrscheinlich, dass Bitcoins die Kriterien für Zentralbankreserven in den Augen der EZB erfüllen.
Das Interview führte Martin Pirkl.