Blitzwahlkampf Frankreich

Die teuren Versprechen des Rassemblement National und der linken Volksfront

Trotz des drohenden Defizitverfahrens setzen das Linksbündnis Nouveau Front Populaire und der Rassemblement National in ihren Programmen auf populäre Maßnahmen, die Frankreich teuer zu stehen kämen.

Die teuren Versprechen des Rassemblement National und der linken Volksfront

Blitzwahlkampf Frankreich

Höhere Löhne und Steuersenkungen

Die teuren Versprechen des rechtsextremen Rassemblement National und des Linksbündnisses Nouveau Front Populaire

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Gesche Wüpper, Paris

Wiedereinführung der Vermögensteuer, Abkehr von der Rentenreform, Verstaatlichungen und Steuersenkungen: Trotz der Empfehlung der EU-Kommission, ein Defizitverfahren gegen Paris einzuleiten, überbieten sich Parteien in Frankreich mit teuren Wahlkampfversprechen. Das linke Bündnis Nouveau Front Populaire (NFP), dem neben Sozialisten, Grünen und Kommunisten auch die linksextreme Partei La France Insoumise angehört, bezifferte die Kosten seines Programms für dieses und nächstes Jahr am Freitag auf 125 Mrd. Euro. Der rechtsextreme Rassemblement National (RN) dagegen nennt keine konkreten Zahlen und lässt unklar, ob er das Rentenalter wieder senken wird oder nicht.

Harte Kritik an Volksfront

Das wirtschaftliche Programm des NFP sei schlimmer als das des RN, urteilt der frühere Chefökonom des Internationalen Währungsfonds (IWF) Olivier Blanchard auf dem früher als Twitter bekannten Netzwerk X. Es sei gefährlich, auch wenn es im Gegensatz zum Programm des RN inhaltlich kohärent sei. Blanchard hatte das Programm der rechtsextremen Partei, die derzeit in Umfragen vorn liegt, zuvor als Weihnachtsbaum bezeichnet. Es handele sich um eine finanzpolitische Oppositionsplattform, mit Geschenken für alle, die etwas auszusetzen hätten, kritisiert er.

Offene Kritik wie die Blanchards ist in französischen Wirtschaftskreisen selten. Nachdem es vielen Akteuren nach der überraschenden Ankündigung der Neuwahl zunächst die Sprache verschlagen zu haben schien, beginnen jetzt einige, Stellung zu beziehen. So warnte der Chef des Arbeitgeberverbandes Medef, Patrick Martin, in einem Interview mit dem „Figaro“, die Programme der linken Volksfront und des RN seien gefährlich für die französische Wirtschaft.

In einem Gastbeitrag schlugen 73 Unternehmenschefs in „Les Echos“ in ihrem eigenen Namen Alarm, dass eine von extremistischen Parteien gestellte Regierung zu einem wirtschaftlichen Abstieg Frankreichs führen werde. Konkrete Namen nannten die Unterzeichner des Beitrags zwar nicht, genau wie der Start-up-Lobbyverband France Digitale. Doch alle bezogen eindeutig Stellung gegen die linksextreme LFI und den rechtsextremen RN.

Drohendes Defizitverfahren

Frankreichs künftige Regierung erwartet keine leichte Aufgabe. Nachdem das Land das selbstgesteckte Defizitziel von 4,9% mit 5,5% letztes Jahr deutlich verfehlt hat, geht der IWF bisher davon aus, dass das Defizit in diesem Jahr 5,3% betragen und 2027 auf 4,5% zurückgehen wird. Die Staatsverschuldung dürfte 2024 ohne weitere Maßnahmen auf 112% des BIP steigen, meint er. Frankreich könne mehr dafür tun, die Bürde seiner Schulden zu verringern, findet IWF-Chefin Kristalina Georgiewa.

Allerdings spielt Haushaltspolitik in den Programmen der Parteien im Gegensatz zur Stärkung der Kaufkraft nicht die Hauptrolle, wie eine vom Medef organisierte Anhörung vor rund 900 Firmenchefs und Arbeitgebervertretern am Donnerstag zeigte. Während diese eindeutig die Programme der Regierungspartei Renaissance und der konservativen Republikaner bevorzugen, verschonten sie den RN mit offener Kritik. Dagegen stößt das Programm der neuen Volksfront bei ihnen auf klare Ablehnung.

Nichtachtung des Fiskalpakts

Das linke Bündnis NFP lehnt die „Zwänge“ des europäischen Fiskalpakts ab. Es sieht in diesem Jahr zusätzliche Ausgaben in Höhe von 25 Mrd. Euro vor, 2025 dann 100 Mrd. Euro. Denn es verspricht, die unter Präsident Emmanuel Macron beschlossenen Reformen des Rentensystems und der Arbeitslosenversicherung wieder abzuschaffen. Den Mindestlohn SMIC will die Volksfront um 14% auf 1.600 Euro netto pro Monat anheben, den Index für Beamtenbesoldung und die Wohnungsbeihilfen um je 10%. Kantinen und Schulbusse sollen gratis sein und die Preise von Produkten für die Grundbedürfnisse eingefroren werden. Finanziert werden soll das neben höheren Arbeitsabgaben mithilfe einer Steuer auf Supergewinne und der Wiedereinführung der Vermögensteuer ISF, die beide je 15 Mrd. Euro pro Jahr bringen sollen. Die unter Macron eingeführte Flat Tax soll abgeschafft werden, genau wie Steuernischen für Reiche.

Der rechtsextreme RN wiederum verspricht ein Audit der öffentlichen Finanzen, um „für Ordnung zu sorgen“ und Einsparungen zu finden. Sparen will er auch durch die Reduzierung der Beiträge Frankreichs zur EU. Außerdem will er öffentlich-rechtliche Fernsehsender privatisieren, Sozialleistungen im Zusammenhang mit Immigration kürzen und Steuernischen vor allem für Reedereien abschaffen. Zur Stärkung der Kaufkraft will er die Mehrwertsteuer auf Gas, Treibstoffe und Heizöl von 20% auf 5,5% senken und die Stromrechnung reduzieren. Die versprochene Senkung der Mehrwertsteuer auf Grundbedarfsprodukte soll in einem zweiten Schritt erfolgen.

Der RN-Vorsitzende Jordan Bardella verspricht weiter die Rente ab 60 für Berufstätige, die früh zu arbeiten begonnen haben. Doch wann und ob er wie versprochen die Rentenreform Macrons wieder rückgängig machen will, bleibt unklar, genau wie andere Punkte. Dazu gehören auch die Abschaffung der Abgabe auf den Mehrwert von Firmen und die Befreiung von Arbeitgeberabgaben für Unternehmen, die Gehälter um mindestens 10% bis zum Dreifachen des SMIC erhöhen. Ökonom Sylvain Bersinger von Astères schätzt die Kosten der RN-Versprechen auf mehrere Dutzend Mrd. Euro, Premierminister Gabriel auf 140 Mrd. Euro.

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