Die Wirtschaft baut auf die neue Regierung
Von Angela Wefers, Berlin
Eine „wettbewerbsfähige Steuerbelastung“ wünscht sich die Wirtschaft von der künftigen Regierungskoalition. Der Industrieverband BDI trommelt seit Wochen, maximal dürfe diese in Deutschland bei effektiv 25% liegen. Aktuell summiert sich der Steuersatz für Kapitalgesellschaften auf mehr als 30% – je nach Höhe der Gewerbesteuer, die die Kommunen in eigener Regie festlegen. Der BDI orientiert sich mit seiner Forderung an der durchschnittlichen Steuerlast von 23,5% der Staaten im Industrieländerclub OECD.
Die jüngsten Signale der Wahlkämpfer sind für die Wirtschaft ernüchternd. Unionskanzlerkandidat Armin Laschet (CDU) hat die vor wenigen Tagen ausgegebene Parole bekräftigt: „Keine Steuererleichterung im Moment – dazu haben wir nicht das Geld“. Im Wahlprogramm propagiert die Union das Ziel einer wettbewerbsfähigen Unternehmensbesteuerung. „Wir wollen die Steuerlast für Gewinne, die im Unternehmen verbleiben, perspektivisch auf 25% deckeln.“ Das dehnbare Zauberwort heißt „perspektivisch“. Die CSU drückt allerdings aufs Gas – Ausgang offen. Wer genau liest, kann erkennen, dass es der Union nur um einbehaltene, nicht um ausgeschüttete Gewinne geht. Unter Finanzierungsvorbehalt steht auch das Ziel, den Solidaritätszuschlag vollständig abzuschaffen. Einst für die deutsche Einheit eingeführt, zahlen ihn seit 2021 zwar nur noch ein Zehntel der ursprünglichen Steuerpflichtigen. Diese schultern mit rund 10 Mrd. Euro immerhin noch die Hälfte des ursprünglichen Aufkommens. Knapp 60% davon tragen Unternehmen.
Die weitreichendsten Reformvorstellungen hat die FDP. Wie die Union will sie den Solidaritätszuschlag komplett abschaffen und die steuerliche Belastung von Unternehmen auf rund 25% senken. Die Liberalen streben aber an, im Zuge der Harmonisierung der Unternehmensbesteuerung in Europa auch den deutschen Sonderweg der Gewerbesteuer zu beenden. Damit müsste die Finanzierung der Kommunen auf eine neue Grundlage gestellt werden. Dies könnte mit einem kommunalen Zuschlag mit eigenem Hebesatzrecht auf Körperschaftsteuer und die Einkommensteuer geschehen. Diese ehrenwerte Idee ist seit Jahrzehnten ein politisch unlösbares Projekt. Die Kommunen befürchten Einbußen und sperren sich dagegen, eine ihrer zentralen Einnahmenquellen auch nur anzutasten. Die Gewerbesteuer ist vom Aufkommen mittlerweile gewichtiger als die Körperschaftsteuer (siehe Grafik). In der Coronakrise hat sich die Konjunkturanfälligkeit der Steuer wieder einmal besonders stark gezeigt. Bund und Länder mussten den Kommunen unter die Arme greifen. Für stabile Finanzen der Kommunen wäre eine Reform richtig. Eine Unternehmenssteuerreform jedoch an den Umbau der Finanzverfassung zu knüpfen, verringert deren Realisierungschancen deutlich. Am einfachsten wäre es deshalb, den zuletzt mit der Unternehmenssteuerreform 2008 von 25% auf 15% gesenkten Körperschaftsteuersatz weiter auf 10% zu reduzieren.
Die anderen Parteien wollen indessen fiskalisch mehr zugreifen. Die SPD schreibt Steuergerechtigkeit groß. „Gegen Steuerhinterziehung, Steuervermeidung und Steuerbetrug werden wir konsequent vorgehen“, heißt es im Wahlprogramm. Grenzüberschreitende Steuergestaltungsmodelle werden anzeigepflichtig und eine nationale Anzeigepflicht eingeführt, heißt es dort. Die EU-weite Anzeigepflicht gilt bereits.
SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz frohlockt, haben sich die führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) gerade auf eine globale Mindeststeuer verständigt. Dieses Projekt unterstützen auch die Grünen – aber auch die Union. Es betrifft größere Unternehmen mit einem Umsatz ab 750 Mill. Euro. Scholz hat den Ehrgeiz, dass diese Regelung schon 2023 gilt. Das wäre sportlich und hängt vom Fortschritt der internationalen Arbeiten in der OECD ab.
Auch die Grünen zeigen sich in Steuerfragen misstrauisch gegen multinationale Unternehmen. „Durch Buchungstricks verschieben große Konzerne ihre Gewinne in Steuersümpfe, aus Europa wie aus vielen armen Ländern“, schreiben sie im Programm. Internationale Mindeststeuersätze wollen sie ambitioniert umsetzen und „harte EU-Regeln“ gegen den Missbrauch von Briefkastenfirmen zur Steuervermeidung einführen. Hierzulande sollen Konzerne ihre Gewinne, Umsätze und Steuerzahlungen nach Ländern veröffentlichen müssen. Die Linke setzt auch bei der Unternehmensbesteuerung auf einen progressiven Tarif: Sie will „statt einer Billigsteuer für Unternehmensgewinne (…) Profite wie alle Einkommen besteuern“.
Bei Personengesellschaften gilt die Progression schon. Die Eigentümer unterliegen der Einkommensteuer. Die Union kündigt im Wahlprogramm Rechtsformneutralität für Einzelunternehmer, Personengesellschaft oder Kapitalgesellschaft an. Unionswirtschaftsexperte Friedrich Merz hat vor allem eine Gruppe in Deutschland im Auge, die niedrigere Steuern braucht: Familiengesellschaften. Aber auch hier gilt die Einschränkung „perspektivisch“.
Bisher erschienen:
Der Innovationsstandort (9.7.)
Die Ausgangslage (2.7.)