Einkaufsmanagerindex

Dienstleister schließen auf

Die Lockerungen der Corona-Restriktionen lassen die Wirtschaft im Euroraum so kräftig wachsen wie seit 15 Jahren nicht mehr. Während die Laune der Dienstleister erwartungsgemäß steigt, zeigt sich die Industrie von den Engpässen unbeeindruckt.

Dienstleister schließen auf

ba Frankfurt

Der Aufschwung im Euroraum wird mit den zunehmenden Lockerungen und Impffortschritten immer dynamischer. Gemessen am Einkaufsmanagerindex ist die Unternehmensstimmung im Juni so gut wie seit 15 Jahren nicht mehr. Nicht nur, dass die Industrie trotz der Engpässe bei Rohstoffen und Vorprodukten weiter Stärke beweist, nun kommen auch die Dienstleister – insbesondere die konsumnahen Unternehmen – in Schwung. Allerdings nimmt zugleich der Preisdruck zu und beflügelt die Debatte, ob der Anstieg der Inflation wirklich nur temporär ist. Diese Auffassung vertreten die Notenbanker der Europäischen Zentralbank (EZB), aber auch der US-Notenbank Fed. In den USA, Japan und Großbritannien hingegen hat sich die Unternehmensstimmung im Juni eingetrübt (siehe auch nebenstehender Bericht).

Der Industrie und Dienstleister zusammenfassende Einkaufsmanagerindex PMI Composite kletterte vorläufigen Daten zufolge im Juni um 2,1 auf 59,2 Punkte und liegt damit deutlich über der Marke von 50 Zählern – Werte darüber signalisieren Wachstum (siehe Grafik). Dies ist zudem der höchste Stand seit Juni 2006. Ökonomen hatten zwar den fünften Anstieg in Folge erwartet, jedoch nur auf einen Wert von 58,8 Punkten. „Die Daten liefern die Grundlage für ein beeindruckendes BIP-Wachstum im zweiten Quartal 2021, auf das ein noch stärkeres Wachstum im dritten Quartal folgen wird“, kommentierte IHS-Markit-Chefvolkswirt Chris Williamson. Damit käme die Euro-Wirtschaft aus der technischen Rezession – definiert als zwei aufeinanderfolgende Quartale mit negativen Wachstumsraten – wieder heraus. Im Schlussabschnitt 2020 und im ersten Quartal 2021 war die Wirtschaft noch um 0,7% bzw. 0,6% geschrumpft.

„Vollgas voraus“ sei das Signal für die Konjunktur, urteilt Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank. Die Menschen kehrten in die Innenstädte zurück. Gastwirte und Hoteliers freuten sich über bessere Umsätze. Und im Mittelmeerraum komme der Tourismus in Fahrt, worüber sich vor allem die südeuropäischen Länder freuten. Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank, erwartet, dass dort in diesem Jahr zumindest „eine halbe Tourismussaison“ möglich sei. So waren es im Juni auch die Dienstleister, die für den Anstieg des PMI-Composite gesorgt haben. Deren PMI kletterte nämlich um 2,8 auf 58,0 Punkte.

Bemerkenswert war in den Augen der Volkswirte, dass der Industrie-PMI seinen im Mai erreichten Höchststand von 63,1 Zählern hielt. Commerzbank-Ökonom Christoph Weil fand dies „insofern erstaunlich, als die Industrieproduktion wegen fehlender Vorprodukte mit der lebhaften Nachfrage weiterhin nicht Schritt halten kann, was sich in den steigenden Lieferzeiten widerspiegelt“. Und auch der Vorjahresvergleich, an dem sich viele Unternehmen bei der Beantwortung der Fragen orientieren, stelle sich wegen der Erholung im Sommer 2020 nicht mehr ganz so günstig dar.

Die Composite PMIs für Deutschland und Frankreich sind ebenfalls gestiegen. Für Schwung sorgten auch hier die Dienstleister. Der PMI Composite für Deutschland kletterte um 4,2 auf 60,4 Punkte, den höchsten Wert seit März 2011. Dass im Juni weniger Industrieunternehmen von längeren Lieferzeiten und gestiegenen Materialpreisen berichten, wertet IHS-Markit-Experte Phil Smith als „vielleicht ein erstes Anzeichen dafür, dass das Schlimmste überstanden ist“. Besser gelaunte Dienstleister und leichte Rückgänge bei der Industrie erwartet Christian Melzer von der DekaBank für die übrigen, noch nicht gemeldeten Länder – insbesondere Spanien und Italien.

Für Großbritannien vermeldet IHS Markit einen Rückgang des PMI Composite um 1,2 auf 61,7 Punkte. Damit liege das Barometer allerdings so hoch wie selten seit Erhebungsbeginn im Jahr 1998. Rückgänge gab es sowohl in der Industrie, die gleichfalls unter temporären Störungen der Lieferketten leidet, als auch bei den Dienstleistern. Deren „bescheidenen Schwungverlust“ führt Schmieding auf die Ausbreitung der ansteckenderen Delta-Variante des Coronavirus zurück – „obwohl die Umfrage darauf hindeutet, dass dieser Sektor immer noch mit halsbrecherischer Geschwindigkeit wächst.“