Wettbewerbsfähigkeit

Draghi facht Debatte um Euro-Bonds neu an

Mario Draghi zieht eine ernüchternde Bilanz, wie es um die Wettbewerbsfähigkeit in der EU steht. Er plädiert daher unter anderem für mehr gemeinsame Finanzierungen von Investitionen.

Draghi facht Debatte um Euro-Bonds neu an

Draghi facht Debatte um Euro-Bonds neu an

Report über Wettbewerbsfähigkeit zieht ernüchternde Bilanz

fed Frankfurt

Die Europäische Union muss ihre Wettbewerbsregeln überprüfen, Hürden für die Kommerzialisierung innovativer Geschäftsideen abbauen und bereit sein, mehr Investitionsvorhaben gemeinsam zu finanzieren. Das sind drei von vielen Forderungen, die der frühere Präsident der Europäischen Zentralbank und ehemalige italienische Ministerpräsident Mario Draghi in seinem lange erwarteten Bericht über die Wettbewerbsfähigkeit der EU (Draghi-Report) aufstellt.

Der Ausgangspunkt ist in der Darstellung von Draghi ausgesprochen ernüchternd. Die Europäische Union sei in den vergangenen Jahren in Bezug auf ihre Wettbewerbsfähigkeit deutlich zurückgefallen. Sie sei, so mahnt der frühere EZB-Präsident, „festgefahren in statischen Industriestrukturen“. Erfolgreiche Gründer mit unternehmerischen Ideen, die sich am Markt durchsetzen, verließen in großer Zahl Europa und gingen in die Vereinigten Staaten. Die Bevölkerung schrumpfe, die Produktivität sinke. Draghi spricht von einer „besorgniserregenden Situation“.

Kritik an Draghis Vorschlägen

Um wieder an Wettbewerbsfähigkeit zu gewinnen, sind laut Draghi immense private und öffentliche Investitionen notwendig. Was staatliches Engagement angeht, beklagt der Italiener, dass es zu fragmentiert stattfinde. Er wirbt deshalb für mehr gemeinsame Finanzierungen – und spricht sich in diesem Zusammenhang auch für ein europäisches „Safe Asset“ aus. Damit befeuert er die Debatte um gemeinsame europäische Schulden, die lange Zeit unter dem Titel „Euro-Bonds“ geführt worden ist. Dieser Aspekt des Berichts ist deshalb umgehend kritisch kommentiert worden. So betont der CSU-Finanzexperte Markus Ferber, neue gemeinsame Schuldentöpfe seien weder politisch realistisch noch ökonomisch sinnvoll. „Die Wettbewerbsfähigkeitsagenda darf sich am Ende nicht an fruchtlosen Debatten über neue Schulden verhaken“, so Ferber.

Auch Draghis Überlegung, bei der EU-Fusionskontrolle in Zukunft zu berücksichtigen, wie sich ein unternehmerischer Schulterschluss auf das Innovationspotenzial auswirke und inwieweit dies Europa in wichtigen Industriezweigen an die Spitze bringe, provoziert umgehend Kritik. So argumentiert etwa das Centrum für Europäische Politik, die vorgeschlagene Lockerung der Wettbewerbspolitik und der Fusionskontrolle berge erhebliche Risiken für den europäischen Binnenmarkt.

Draghi unterstreicht die Bedeutung, den europäischen Rechtsrahmen so zu gestalten, dass die Dekarbonisierung zu einer Quelle von Wachstum werden kann. Er signalisiert damit, dass dies bislang mit dem Green Deal nicht gelungen sei. Um der Industrie Zugang zu günstiger Energie zu verschaffen, spricht er sich für staatliche Anreize für mehr Produktion sauberer Energie aus.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.