Draghi stößt auf große Widerstände
bl Mailand
Italiens Ministerpräsident Mario Draghi erhält bei seinen Reformvorhaben immer mehr Gegenwind. Zwar verabschiedete das Kabinett nun einen schon für Juli geplanten Gesetzentwurf zur Stärkung des Wettbewerbs. Geplant sind die Beseitigung von Wettbewerbshürden in Wirtschaftssektoren wie Telekommunikation, lokale Dienstleistungen und Gaslieferungen. Ziel ist es, damit das Wachstum zu beflügeln. Draghi musste jedoch wegen Widerständen innerhalb der Regierung Vorhaben verwässern oder aufschieben. Das Wettbewerbsgesetz muss noch durch beide Kammern des Parlaments und dürfte dabei weitere Veränderungen erfahren.
Das Gesetz ist Teil des Reformprogramms, zu dem sich Rom im Gegenzug für die umfangreichen Hilfen des europäischen Wiederaufbauprogramms verpflichtet hat. Draghi entgegnete Kritikern, er gehe einen „dritten Weg“ zwischen früheren Regierungen, die viel versprachen, aber scheiterten, und anderen, die untätig blieben. Die Reform sei ein erster Schritt, dem weitere folgten.
Besonders deutlich wurde das Zurückrudern Draghis in einem symbolischen Punkt: Die Neuausschreibung der meist vor Jahrzehnten vergebenen Lizenzen für den Betrieb von Strandbädern wurde verschoben. Zunächst solle eine Bestandsaufnahme vorgenommen werden, so Draghi. Der Staat hat für etwa 50% der Küsten Konzessionen unter oft undurchsichtigen Bedingungen vergeben, weiß aber nicht, wie viel er daraus einnimmt. Die Pachten liegen deutlich unter 1% der Einnahmen, die die Konzessionäre erhalten. Italien hätte die Konzessionen seit 2006 neu ausschreiben müssen, hat das aber nicht getan. Brüssel hat 2020 ein Verfahren gegen Italien eingeleitet, nachdem die Regierung Conte die Konzessionen bis 2033 verlängert hatte. Auch Liberalisierungen im Notarwesen oder die Erleichterung der Errichtung von Müllverbrennungsanlagen wurden aufgeschoben. Die Taxifahrer machen mobil gegen die geplante Liberalisierung ihres Marktes. Auch beim Haushaltsentwurf, der in vielen Punkten vage geblieben ist, oder bei der geplanten Katasterreform ist Draghi eingeknickt.
Im Gegensatz dazu steht Draghis positives Image als Reformer im Ausland. Ökonomen von Oxford Economics und Kommentatoren in den Medien sehen ihn zunehmend kritisch und glauben nicht mehr, dass Draghi seine ehrgeizige Reformagenda umsetzen kann. Die anstehende Präsidentschaftswahl im Frühjahr sowie die Parlamentswahlen 2023 ließen weniger reformfreundliche Regierungen erwarten. Das Basisszenario von Oxford Economics für Italien geht deshalb von deutlich niedrigeren Wachstumsraten aus.