OECD-Wirtschaftsausblick

Drohende Verstärkung von Ungleichgewichten

Die OECD rechnet mit einer kräftigen Erholung, die jedoch weltweit sehr uneinheitlich ausfallen dürfte. Sie fordert eine bessere internationale Zusammenarbeit und eine gerechtere Verteilung der Impfstoffe.

Drohende Verstärkung von Ungleichgewichten

wü Paris

Die Erholung ist da. Fragt sich nur, wie dauerhaft sie ausfallen wird. Da sich die Konjunkturaussichten aktuell wieder deutlich aufgehellt haben, hat die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ihre Prognose etwas angehoben. Sie rechnet nun mit einem kräftigen Wachstum der globalen Wirtschaft um 5,8%. „Das ist der höchste Wert seit 1973“, sagte Chefökonomin Laurence Boone während der Vorstellung des jüngsten OECD-Wirtschaftsausblicks.

Die weltweite Wirtschaftstätigkeit habe ihr Vorkrisenniveau wiedergefunden, heißt es darin. Das reale globale Einkommen werde aber Ende nächsten Jahres immer noch um etwa 3 Bill. Dollar unter dem Wert liegen, den es ohne die Krise erreicht hätte.

Die Erholung werde weltweit sehr uneinheitlich ausfallen, warnt Chefökonomin Boone. Das erhöhe das Risiko, dass sich die Ungleichgewichte zwischen einzelnen Ländern und Regionen weiter verstärkten. Vor allem wenn in ärmeren Ländern nicht ausreichend geimpft werden kann und neue Varianten sowie weitere Lockdowns das Vertrauen erschüttern. „Es gibt zu wenig internationale Zusammenarbeit, was dazu führt, dass die Perspektiven für die Erholung zu ungleich ausfallen“, sagte der scheidende OECD-Generalsekretär Ángel Gurría, der jetzt von Mathias Cormann abgelöst wird. Er appellierte an die Regierungen, die Impfstoffproduktion auszubauen und die Vakzine gerechter und schneller zu verteilen.

Boone sieht in der Nervosität der Finanzmärkte ein weiteres Risiko und mahnt zu Wachsamkeit. Sie ist besorgt, dass es den Finanzmärkten misslingen könnte, den vorübergehenden Anstieg von Preisen und relative Preisanpassungen zu durchschauen, so dass sie die Marktzinsen und die Volatilität nach oben treiben könnten. Zwar seien Rohstoffpreise stark gestiegen, während Engpässe in einigen Branchen und Handelsstörungen zu Preisspannungen geführt hätten. Doch diese Störungen sollten gegen Ende des Jahres verblassen, urteilt Boone.

Europa hinkt hinterher

„Dies ist keine normale Erholung“, betonte sie. Wie die Erholung ausfalle, werde auch davon abhängen, wie die Haushalte nun mit den 2020 angehäuften Ersparnissen umgingen und welchen Kurs die Regierungen einschlagen würden. Dabei plädierte die OECD dafür, die finanzielle Unterstützung für Menschen und Unternehmen fortzuführen, sie aber der jeweiligen Wirtschafts- und Gesundheitslage anzupassen und die Hilfen bei Lockerungen der Corona-Beschränkungen gezielter den Bereichen zukommen zu lassen, die sie am nötigsten hätten. Sie empfiehlt den Regierungen zudem, den Abbau der jetzt angehäuften Verschuldung erst dann zur Priorität zu machen, wenn die Erholung in sicheren Bahnen verläuft. „Die Regierungen sollten aber bereits jetzt mit Planungen beginnen, um das öffentliche Finanzmanagement zu überarbeiten“, so Boone.

Die Prognose für die Weltwirtschaft hob die OECD leicht an. Sie dürfte in diesem Jahr um 5,8% zulegen, 2022 dann um 4,4%. Nächstes Jahr dürften die meisten Volkswirtschaften wieder ihr Vorkrisenniveau erreichen, erwartet Boone. China ist dies bereits gelungen, und die USA dürften Mitte des Jahres folgen. Entsprechend dürfte die chinesische Wirtschaft in diesem Jahr um 8,5% wachsen, 2022 dann um 5,8%. In den USA dürfte das Wirtschaftswachstum in diesem Jahr 6,9% und nächstes Jahr 3,6% betragen.

Dagegen hinkt Europa noch hinterher. So geht die OECD davon aus, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Eurozone 2021 um 4,3% und 2022 um 4,4% steigen wird. Das Wachstum der Bundesrepublik dürfte nach 3,3% in diesem Jahr 2022 auf 4,4% steigen, in Frankreich dagegen im nächsten Jahr von 5,8% auf 4,0% sinken. Die italienische Wirtschaft dürfte 2021 um 4,5% und 2022 um 4,4% wachsen, die spanische um 5,9% und 6,3%.