Einwanderungspläne Berlins reichen nicht aus
Die Reformpläne der Bundesregierung bei der Fachkräftezuwanderung sind sinnvoll, aber reichen nach Experteneinschätzung nicht aus. Um die durch den Renteneintritt der geburtenstarken Jahrgänge verursachte Fachkräftelücke zu schließen, brauche Deutschland deutlich mehr Zuzug von Fachkräften aus Drittstaaten, schreibt Bernd Fitzenberger, Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), in einem Debattenbeitrag.
Die Reformpläne der Koalition sehen Erleichterungen bei Zuzügen mit Arbeitsplatzzusage ohne weitere Qualifikationsauflagen vor, sofern die Zuwandernden qualifiziert sind, die zugesagte Tätigkeit auszuüben. Auch soll der Zugang für die Blaue Karte Europa erleichtert werden und ein Punktesystem einem Kontingent ausländischer Arbeitskräfte ermöglichen, sich in Deutschland einen Job zu suchen.
„Die Reformvorschläge der Bundesregierung sind richtig, reichen aber nicht aus,“ erklärt IAB-Direktor Fitzenberger. Für den IAB-Experten gibt es in den Plänen der Ampel, die im Sommer im Kabinett und Bundestag beraten werden sollen, noch viel Verbesserungsbedarf. Sinnvoll wäre es beispielsweise, im Punktesystem Englischkenntnisse zu berücksichtigen und in reglementierten Berufen wie etwa im medizinischen Bereich zu prüfen, inwieweit Anerkennungsverfahren vereinfacht und einschlägige Berufserfahrungen stärker berücksichtigt werden könnten.
Gerade in Bezug auf die Englischkenntnisse könnte eine weitere Öffnung des deutschen Arbeitsmarkts gelingen, ist es doch in zahlreichen Berufen möglich, mit guten Englischkenntnissen eine Erwerbstätigkeit auszuüben. „Allerdings müssten sich administrative Prozesse sowie Betriebe stärker internationalisieren“, schränkt Fitzenberger ein.
Zwar trat 2020 das Fachkräfteeinwanderungsgesetz in Kraft, um die Zuwanderung zu Erwerbszwecken zu vereinfachen, doch aufgrund der Coronavirus-Pandemie zeigte es kaum Wirkung: Nur 30000 Personen aus Drittstaaten wanderten im ersten Jahr ein, um in Deutschland zu arbeiten. Doch die Zeit drängt. Denn die Fach- und Arbeitskräftelücke wächst, immer mehr Unternehmen fällt es schwer, offene Stellen mit qualifizierten Mitarbeitern zu besetzen. Das KfW-Ifo-Fachkräftebarometer zeigte im vergangenen Jahr einen Höchststand an. Die Steigerung der inländischen Erwerbsbeteiligung – etwa durch die Rekrutierung von Teilzeitkräften – und die bisherige Zuwanderung werden nicht ausreichen.
Der demografische Wandel ist jedoch längst Realität am deutschen Arbeitsmarkt. Schon im Jahr 2022 schieden altersbedingt 390000 Menschen mehr aus dem Erwerbsleben aus, als junge Menschen nachrückten. Zwar haben in den vergangenen Jahren Nettozuwanderung und der Anstieg der inländischen Erwerbsbeteiligung die Rückgänge mehr als ausgeglichen – 2022 erreichte die Erwerbstätigenzahl in Deutschland ein Rekordhoch und auch 2023 dürfte das Erwerbspersonenpotenzial noch mal um 175000 steigen. „Das ist jedoch keine Entwarnung“, schreibt Fitzenberger.