Türkei

Erdogan feuert weiteren Kritiker

Finanzminister Elvan muss inmitten einer schweren Währungskrise gehen. Äußerungen seines Nachfolgers nähren die Sorgen der Analysten. Eine Intervention der Zentralbank am Devisenmarkt verpufft.

Erdogan feuert weiteren Kritiker

rec Frankfurt

Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hat mit einem hochkarätigen Personalwechsel auf die gravierende Währungskrise seines Landes reagiert. Diesmal traf es nicht den Chef der Notenbank, sondern Finanzminister Lütfi Elvan: Er muss das Amt nach nur einem Jahr räumen. Den Posten übernimmt laut Amtsblatt Vize­ressortchef Nureddin Nebati.

Mit der in der Nacht zu Donnerstag veröffentlichten Entscheidung untermauert Erdogan sein Prinzip, Kritiker seines Kurses niedrigerer Zinsen aus den Spitzen von Regierung und Zentralbank zu verbannen und durch Gefolgsleute zu ersetzen. Als solcher gilt der neue Finanzminister Nebati, hat er doch erst vor wenigen Tagen den umstrittenen Zinssenkungskurs von Staatschef Erdogan verteidigt. Der gefeuerte Amtschef Elvan sah Zinssenkungen angesichts des historischen Lira-Einbruchs und hoher Inflation hingegen kritisch. Auch der im März eingesetzte Chef der Notenbank, Sahap Kavcioglu, ist auf einer Linie mit Erdogan und hat die geforderten Zinssenkungen geliefert.

Am Devisenmarkt machte der Wechsel an der Spitze des Finanzministeriums zaghafte Versuche der Notenbank, den Kurs der Lira mittels Devisenmarktinterventionen zu stabilisieren, umgehend zunichte. Die Landeswährung sackte am Donnerstag um mehr als 2% ab und taumelte wieder in Richtung des eben erst erreichten Rekordtiefs von knapp 14 Lira zum Dollar. Die Zentralbank hatte Mitte dieser Woche Fremdwährungsreserven gegen Lira verkauft, um den freien Fall der Währung zu stoppen. Langjährigen Beobachtern zufolge war es die erste offene Intervention der Zentralbank am Devisenmarkt seit 2014. Bereits in früheren Krisenphasen hatte die Notenbank mit dem Griff zu Devisenreserven versucht, den Kurs der Lira zu stabilisieren. Sie spannte dafür aber die großen Staatsbanken ein, statt selbst am Devisenmarkt aktiv zu werden. Zu Zinserhöhungen griff sie lediglich als Ultima Ratio.

Bei Analysten kamen die Vorgänge abermals schlecht an. Hintergrund ist, dass die Bruttowährungsreserven nach einer zwischenzeitlichen Aufstockung nun aufs Neue zur Neige gehen dürften. Abzüglich von Devisentauschgeschäften mit anderen Zentralbanken sind die Nettoreserven des Landes schon jetzt negativ. Zudem hat sich der Griff zu den Fremdwährungsreserven in der Vergangenheit als untaugliches Mittel erwiesen, um Währungskrisen einzudämmen, nicht nur in der Türkei. Darauf verweist Ulrich Leuchtmann, leitender Devisenexperte der Commerzbank: „Wie die türkische Zentralbank darauf kommen kann, dass Interventionen zur Stützung der zuletzt massiv abwertenden Lira helfen könnten, ist daher ein Rätsel.“

Die Lira hat allein im November mehr als ein Viertel zum Dollar eingebüßt, seit März hat sich ihr Wert halbiert. Die Inflation ist mit annähernd 20% unverändert hoch; neue Daten veröffentlicht das Statistikamt an diesem Freitag. Unabhängige Beobachter im In- und Ausland wie auch Teile der Opposition dringen seit Wochen auf Zinserhöhungen. Stattdessen hat Staatschef Erdogan in jüngster Zeit seine Aversion gegen hohe Zinsen bekräftigt: Er sprach in dieser Woche von einem „Übel, das die Reichen reicher und die Armen ärmer macht“. Zugleich verschärft er verbale Angriffe auf Kritiker seines Kurses: Zuletzt wähnte er die Türkei in einem „wirtschaftlichen Unabhängigkeitskrieg“.

Die Berufung von Vize Nebati zum Chef des Finanzministeriums nährt an den Märkten Sorgen, dass sich die ohnehin beispiellose Währungskrise in der Türkei noch weiter verschärft. Denn mit der Ernennung Nebatis schwindet unter Experten die Hoffnung, die Notenbank könnte wie in der Vergangenheit eine Notfallzinserhöhung erwägen. Die Türkei sei mit ihrer Politik zwar in den vergangenen Jahren auf starken Widerstand gestoßen. „Dieses Mal sind wir entschlossen, sie umzusetzen“, schrieb der neue Finanzminister vor wenigen Tagen im Kurznachrichtendienst Twitter.

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