Deutscher Arbeitsmarkt

Erholung mit Unsicherheiten

Der deutsche Arbeitsmarkt hat sich im vergangenen Jahr deutlich von der Coronakrise erholt. Doch der Ausblick steht auf einem unsicheren Fundament.

Erholung mit Unsicherheiten

ast Frankfurt

Der deutsche Arbeitsmarkt hat sich im vergangenen Jahr spürbar und stetig von dem Einbruch durch die Coronavirus-Pandemie erholt. Auch im Dezember setzte sich diese Entwicklung fort. Zwar stieg die Arbeitslosigkeit zum Jahresende, jedoch etwas weniger, als saisonal zu erwarten gewesen wäre. Der Blick in die Zukunft zeigt jedoch: Die anstehenden Herausforderungen sind groß. Lieferengpässe, die Furcht vor länger anhaltenden Corona-Einschränkungen und drohende Quarantäne fürs Personal trüben die Freude über einen stabilen Arbeitsmarkt zum Ende des vergangenen Jahres.

„Alles in allem war die Entwicklung des Arbeitsmarktes im Verlauf des Jahres 2021 gut“, sagte der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit (BA), Detlef Scheele, bei der Vorstellung des aktuellen Arbeitsmarktberichts am Dienstag. Im Dezember stabilisierte sich die Arbeitslosenquote bei 5,1%.

Insgesamt zog der BA-Chef eine positive Bilanz für 2021. Die Arbeitslosenzahl sei im Jahresdurchschnitt um 82000 auf 2,613 Millionen zurückgegangen. Im Vergleich zum Dezember 2020 waren 378000 Menschen weniger arbeitslos. Der Arbeitsmarkt habe sich ab dem Frühsommer kontinuierlich erholt – selbst in den traditionell eher schwachen Sommermonaten verzeichnete die Behörde keinen Anstieg der Arbeitslosenzahl. Zudem vermeldete Scheele zwei Rekorde: Zum einen wurde mit 34,37 Millionen Beschäftigten im Oktober das bisherige Allzeithoch erreicht und damit auch das Vorkrisenniveau übertroffen. Zum anderen habe die Arbeitslosigkeit unter Menschen bis 25 Jahren mit 179000 im Jahresdurchschnitt 2021 auf dem niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung gelegen.

Allerdings entstünden Unsicherheiten „durch die pandemische Lage: Die Anzeigen für Kurzarbeit sind im Dezember kräftig gestiegen“, fuhr Scheele fort. Vor allem im Gastgewerbe und im Handel, die von den derzeitigen Einschränkungen zur Pandemie-Bekämpfung besonders betroffen seien, stiegen die Meldungen. Im Oktober gab es nach ersten Berechnungen der Behörde etwa 710000 Kurzarbeitende. „Aber wir werden wahrscheinlich die Million nicht wieder erreichen“, zeigte sich Scheele optimistisch. Im April 2020 zahlte die Bundesagentur für Arbeit für knapp 6 Millionen Menschen Kurzarbeitergeld.

Mindestlohnerhöhung 2022

Auch Bundesarbeitsminister Hu­bertus Heil (SPD) erwartet negative Auswirkungen der Omikron-Welle auf die Konjunktur – und damit auch auf den Arbeitsmarkt. „Wir gehen davon aus, dass der Aufschwung der Wirtschaft stattfinden wird, allerdings durch die Herausforderung durch die Omikron-Variante zeitlich verzögert“, sagte Heil. Hinzu kommen Probleme, mit denen sich die Unternehmen nicht erst seit der Pandemie auseinandersetzen. So belasten nicht nur die Lieferschwierigkeiten den Ausblick, sondern auch der Fachkräftemangel (siehe eigenen Text).

Bundesarbeitsminister Heil kündigte zudem am Dienstag an, er wolle in Kürze einen Gesetzentwurf vorlegen, um die im Koalitionsvertrag festgelegte Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro noch in diesem Jahr auf den Weg zu bringen. Derzeit beträgt er 9,82 Euro pro Stunde. Zum 1. Juli wird er ohnehin planmäßig auf 10,45 Euro angehoben. Die Erhöhung des Mindestlohns war eines der großen Wahlkampfthemen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) – und findet auch in der Wirtschaft Anklang.

Die Bundesbank hält 12 Euro Mindestlohn für finanziell stemmbar. „Wir erwarten keinen negativen Arbeitsmarkteffekt“, sagte auch BA-Chef­ Scheele. Die Gewerkschaft IG Bau erwartet durch die Erhöhung einen Kaufkraftzuwachs von rund 9,8 Mrd. Euro im Jahr. Der Verband der Gebäudereiniger appellierte hingegen an die Bundesregierung, dass die Erhöhung nicht mehr 2022 in Kraft treten sollte. Andernfalls würde der von den Tarifpartnern ausgehandelte Branchenmindestlohn von derzeit 11,55 Euro ausgehebelt.