CO2-Grenzausgleich

EU einigt sich auf weltweit ersten Klimazoll

Der umstrittene CO2-Grenzausgleich in der EU kommt zunächst in ausgewählten Branchen. Wie EU-Kommission, EU-Staaten und Parlament rechtliche Bedenken ausräumen wollen.

EU einigt sich auf weltweit ersten Klimazoll

rec Frankfurt

Die Europäische Union wird im kommenden Jahr eine Art Klimazoll für ausgewählte Produkte einführen. In einer Nachtsitzung einigten sich die Unterhändler von EU-Kommission, Mitgliedstaaten und Europaparlament auf Details eines sogenannten CO2-Grenzausgleichs. Künftig müssen Unternehmen von außerhalb der EU Zertifikate erwerben, wenn sie beispielsweise Eisen, Stahl oder Zement in die EU einführen. Den genauen Starttermin wollen die Gesetzgeber noch diese Woche klären. Geeinigt haben sie sich bislang nur auf eine Übergangsfrist, die am 1. Oktober 2023 beginnt.

Die umstrittene Regelung ist Teil der umfangreichen Klimaschutzvorhaben der EU-Kommission. Sie soll das Fit-for-55-Paket flankieren, das den klimaneutralen Umbau der europäischen Wirtschaft bis Mitte des Jahrhunderts zum Ziel hat. Nachzahlen sollen Importeure aus Ländern, die den CO2-Ausstoß nicht oder in geringerem Maße bepreisen als in der EU. Auf diese Weise will die EU-Kommission die internationale Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen sichern. Und sie will verhindern, dass CO2-intensive Produktion ins außereuropäische Ausland abwandert.

Allerdings gibt es seit Jahren massive Vorbehalte gegen einen CO2-Grenzausgleichsmechanismus, den Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM). Die Pläne haben der EU-Kommission den Vorwurf des grünen Protektionismus eingebracht. Etliche Staaten haben bei der Welthandelsorganisation (WTO) ihre Bedenken geltend gemacht, wie aus WTO-Kreisen verlautete. Auch in einem kürzlich veröffentlichten Bericht der WTO schimmern indirekt Vorbehalte gegen die Pläne der EU-Kommission durch.

Die Co-Gesetzgeber betonen, ihre Einigung stehe „in voller Übereinstimmung“ mit dem WTO-Regelwerk. In einer Übergangsfrist ab Oktober 2023 sollen Importeure zunächst lediglich zur Berichterstattung verpflichtet sein. Dieser Übergangszeitraum soll gelten, solange im EU-internen Emissionshandel kostenlose CO2-Zertifikate vergeben werden. Erst danach müssen sie zahlen. Details dazu sind Gegenstand paralleler Verhandlungen in dieser Woche über eine Reform des Emissionshandelssystems.

Zunächst wird der CO2-Grenzausgleich – landläufig Klimazoll – ohnehin auf wenige Branchen begrenzt sein: Eisen und Stahl, Zement, Aluminium, Düngemittel, Elektrizität und auf Drängen des EU-Parlaments Wasserstoff. Bis 2030 will die EU-Kommission den Grenzausgleich auf sämtliche Produkte aus dem CO2-Emissionshandel ausdehnen.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen sagte, die Einigung sei wichtig für den Klimaschutz und für die Wettbewerbsfähigkeit der EU: „Mit dem CO2-Grenzausgleich wird ambitionierter Klimaschutz belohnt, und das ist der Weg, den wir gehen müssen.“ Skeptischer ist Wolfgang Große Entrup, Hauptgeschäftsführer des Chemieverbands VCI. Er zeigt sich zwar erleichtert, dass vorerst nur einzelne Produkte wie Ammoniak und Wasserstoff erfasst sind. Aber: „Bevor CBAM auf weitere Produkte ausgeweitet wird, muss es einen schonungslosen Realitätscheck geben“, fordert Große Entrup. „Die Gefahr ist groß, dass die europäische Chemieproduktion gegenüber den USA, aber auch den Golfstaaten oder China, weiter an Wettbewerbsfähigkeit verliert.“ Die Einigung sieht vor, dass die EU-Kommission den CO2-Grenzausgleich bis Ende 2027 „vollständig“ überprüft.