Wachstumsprognose

EU-Kommission gibt Entwarnung für die Konjunktur

Die Aussichten für die Wirtschaft hellen sich auf: Auch Deutschland darf mit einem Mini-Wachstum rechnen. In Sachen Inflation ist man in Brüssel zuversichtlicher als bei der EZB.

EU-Kommission gibt Entwarnung für die Konjunktur

rec Brüssel

Die Wirtschaft der Eurozone dürfte nach Ansicht der EU-Kommission glimpflicher durch den Winter kommen als noch vor wenigen Monaten befürchtet. Besonders deutlich zeigt sich dies am Beispiel Deutschlands: Europas größter Volkswirtschaft traut die Brüsseler Behörde nun ein Mini-Wachstum von 0,2% im angelaufenen Jahr zu. Noch im November hatte sie mit −0,6% eine ausgewachsene Rezession für das Jahr 2023 vorhergesagt.

Die Aussichten für die europäische Wirtschaft hellen sich somit zusehends auf. Das Risiko einer Rezession hat nach Ansicht von Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni nachgelassen. Das hat für den Italiener in erster Linie mit den unerwartet vollen Gasspeichern zu tun. Auch der Arbeitsmarkt stemmt sich mit einer rekordniedrigen Arbeitslosenquote überraschend resolut gegen einen konjunkturellen Abschwung.

Die EU-Kommission gibt am aktuellen Rand auf breiter Front Entwarnung. Über die gesamte Eurozone hinweg rechnet sie 2023 nun mit einem Wachstum von 0,9%, das sind 0,6 Prozentpunkte mehr als vor drei Monaten vorhergesagt. Für 2024 hält die EU-Kommission an ihrer Wachstumsprognose von 1,5% für den Euroraum fest. „Europas Wirtschaft zeigt sich im Angesicht der gegenwärtigen Herausforderungen widerstandsfähig“, sagt EU-Vizekommissionschef Valdis Dombrovskis.

Hierzulande ist eine milde Rezession über das Winterhalbjahr für Ökonomen zwar das wahrscheinliche Szenario. Dem schließt sich die EU-Kommission an. Schließlich stand im vierten Quartal 2022 nach revidierten Angaben des Statistischen Bundesamts ein geringfügiges Minus zu Buche. Ab dem Frühjahr dürfte es aber leicht bergauf gehen. Insbesondere sieht man in Brüssel den Boden für wieder anziehende Investitionen bereitet: Dafür sprächen nachlassende Energiepreise und Lieferkettenstörungen, solide Unternehmensbilanzen und volle Auftragsbücher.

Zuversichtlicher als EZB

Europas Verbraucher stellt Wirtschaftskommissar Gentiloni gleichwohl auf anhaltend schwierige Zeiten ein. Er macht das an der nach wie vor hohen Inflation fest. Der Höhepunkt sei zwar offenbar überwunden, die Inflation werde aber lediglich allmählich Richtung EZB-Inflationsziel von 2% zurückgehen. Immerhin ist die EU-Kommission auch in dieser Hinsicht hoffnungsvoll gestimmt: Sie rechnet mit einem etwas zügigeren Rückgang der Inflation in der Eurozone auf durchschnittlich 5,6% in diesem und 2,5% im nächsten Jahr. Damit ist sie zuversichtlicher als die Europäische Zentralbank (EZB): Diese kalkulierte im Dezember 6,3% Inflation für 2023 und 3,4% für 2024 ein.

Mit der wirtschaftlichen Erholung wird der Umgang mit den Schuldenregeln in der EU dringlicher. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt ist ausgesetzt. EU-Wirtschaftskommissar Gentiloni äußerte die Erwartung, dass die seit der Coronakrise geltende Ausweichklausel nicht über 2023 hinaus verlängert wird. „Wir hatten bereits genug außerordentliche Ereignisse“, fügte der Italiener mit Blick auf den Ausbruch des Ukraine-Krieges und die Coronakrise hinzu.

Im Laufe des Jahres müssen EU-Kommission und Mitgliedstaaten über die Zukunft der Schuldenregeln einig werden. Eine Reform gilt als unausweichlich. Unter den Mitgliedstaaten gehen die Meinungen dazu weit auseinander, weshalb mit zähen Verhandlungen zu rechnen ist. An diesem Dienstag beraten die Finanzminister der EU über die Schuldenregeln. Offen ist, was passiert, wenn es bis Ende 2023 keine Einigung gibt.

Vonseiten der EU-Kommission liegen seit November erste Vorschläge auf dem Tisch, die in Berlin als Ideensammlung bezeichnet werden. Es wird erwartet, dass die EU-Kommission bis zum EU-Gipfel Ende März einen weiteren Anlauf nimmt. Die spanische Wirtschaftsministerin Nadia Calviño gibt sich zuversichtlich, dass es bis Mitte des Jahres ausreichend Fortschritte gibt. Unter spanischer Ratspräsidentschaft werden die Verhandlungen dann in die entscheidende Phase gehen.

Wertberichtigt Seite 2

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