EU-Plan für Eingriffe in die Strommärkte
ahe Brüssel
In der EU konkretisieren sich Pläne für einen kurzfristigen, koordinierten Eingriff in die Strommärkte angesichts der zuletzt exorbitant gestiegenen Preise. In einem von der EU-Kommission erarbeiteten „Notfallinstrument“ wird vorgeschlagen, für Stromerzeuger, die kein teures Gas nutzen, eine Art imaginären Preisdeckel einzuziehen und die Differenz zum eigentlichen Marktpreis von den Unternehmen wieder abzuschöpfen. Betroffen hiervon wären unter anderem Solarenergie- und Windkraft-Produzenten, Atom- oder auch Braunkohle-Kraftwerke. Diese produzieren heute Strom deutlich kostengünstiger als Gaskraftwerke, profitieren aber von der Kopplung der Strom- und Gaspreise.
Es gehe darum, den Einfluss des teuren Gases auf die Strompreisbildung zu reduzieren, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen unter anderem im ZDF. Sie verwies darauf, dass am kommenden Freitag erst einmal die EU-Energieminister die Pläne auf einer Sondersitzung diskutieren wollen. Im Anschluss werde die Kommission „relativ schnell“ einen konkreten Gesetzesvorschlag vorlegen.
Bisher existieren die Pläne lediglich in Form eines nicht abgestimmten „Non-Papers“, das von Kommissionsbeamten erarbeitet wurde. Dieses ist an zahlreichen Stellen auch noch äußerst vage. Auch zum möglichen Niveau des Preisdeckels werden keine Angaben gemacht. Von der Leyen ergänzte lediglich, es gehe nicht um eine vollständige Abschöpfung der Gewinne etwa der erneuerbaren Energien. Ein Preissignal müsse sicherlich erhalten bleiben. Nach Angaben der CDU-Politikerin soll es auch noch eine größere Reform des europäischen Strommarktdesigns geben. Diese sei aber erst für 2023 vorgesehen.
Keine Vorkrisenpreise mehr
In dem Papier verwies die Kommission darauf, dass auch zahlreiche andere Optionen geprüft worden waren – darunter die vollständige Aussetzung der europäischen Großhandelsmärkte für Strom, die Einführung absoluter Preisobergrenzen, Eingriffe in den Emissionshandel oder auch eine Ausweitung der Gaspreisdeckel in Spanien und Portugal oder der Markteingriffe in Griechenland auf ganz Europa. All diese Schritte wurden aber wieder verworfen: „Ausgehend von dieser Analyse wären die meisten dieser Optionen nicht geeignet, da sie zu einem Anstieg der Strom- und Gasnachfrage führen und die Stromversorgungssicherheit gefährden würden“, heißt es in dem „Non-Paper“, das in Brüssel die Runde macht.
Der hier skizzierte Plan sieht vor, dass mit den abgeschöpften Gewinnen die Stromverbraucher wieder entlastet sowie eine Reduzierung der Stromnachfrage organisiert werden könnte. Diese Nachfragesenkung soll über marktbasierte Ausschreibungen bei Stromverbrauchern – beispielsweise Unternehmen – organisiert werden, die dann aus den öffentlichen Haushalten kompensiert werden müssen. Auch dies soll dämpfend auf den Strompreis wirken.
Die Brüsseler Behörde musste allerdings auch einräumen, dass die kurzfristigen Interventionen zwar dazu beitragen könnten, die Auswirkungen der Krise abzuschwächen. Allerdings würden sie „die Energiepreise nicht auf das Vorkrisenniveau zurückbringen oder die massiven Auswirkungen der Krise auf die Inflation und die europäische Wirtschaft insgesamt beseitigen”.
Aus dem EU-Parlament kamen unterschiedliche Reaktionen auf die Kommissionsideen. Der CSU-Finanzexperte Markus Ferber monierte, es brauche jetzt keinen Optionen-Katalog, sondern strukturelle Lösungen auf Basis marktwirtschaftlicher Prinzipien. „Eine verkappte Übergewinnsteuer ist sicher nicht der richtige Weg.“ Der Grüne Rasmus Andresen forderte dagegen eine rasche Einführung einer solchen Steuer, wie es sie schon in einigen EU-Staaten gibt: Gerade habe auch die belgische Regierung einen konkreten Vorschlag vorgelegt, so Andresen. „Es ist höchste Zeit, dass eine solche Steuer auch in Deutschland und allen anderen EU-Staaten kommt.“
Der Energieexperte Markus Pieper (CDU) sieht in den Vorschlägen eine „wirksame Entlastung für private Stromkunden und die Wirtschaft“. Es müsse aber ein zeitlich begrenztes Notfallinstrument bleiben, betonte er. Zudem müsse es eine einheitliche Anwendung in allen EU-Ländern geben.