Neue Sanktionen

EU schnürt neues Sanktionspaket gegen Belarus

Nach der erzwungenen Notlandung eines Ryanair-Flugzeuges in Minsk zur Festnahme eines Journalisten haben sowohl die EU als auch die USA rasche Konsequenzen für die belarussische Führung angekündigt. Der Europäische Rat verständigte sich auf ein ganzes Bündel an neuen Sanktionen.

EU schnürt neues Sanktionspaket gegen Belarus

ahe Brüssel

Auf einem Sondergipfel in Brüssel haben die Staats- und Regierungschefs der EU beschlossen, entschieden gegen die belarussische Führung unter Präsident Alexander Lukaschenko vorzugehen. Zu dem vereinbarten Paket gehören gezielte Wirtschaftssanktionen gegen staatliche oder staatsnahe Unternehmen. Es umfasst ferner, Überflüge des EU-Luft­raums durch belarussische Fluggesellschaften – insbesondere die staatliche Linie Belavia – zu verbieten und den Zugang belarussischer Airlines zu EU-Flughäfen zu verhindern (siehe unten stehenden Artikel). In einer gemeinsamen Erklärung des Europäischen Rates wurde die Internationale Zivilluftfahrt-Organisation aufgefordert, dringend eine Untersuchung einzuleiten.

Die belarussischen Behörden hatten am Sonntag ein Ryanair-Flugzeug auf dem Weg von Griechenland nach Litauen mit Hilfe eines Kampfjets zur Landung in Minsk gebracht – angeblich wegen einer Bombendrohung der Hamas, die sich davon aber umgehend distanzierte. An Bord war der belarussische Blogger und Journalist Roman Protassewitsch, der eine zentrale Rolle bei den Großdemonstrationen gegen Lukaschenko im vergangenen Jahr gespielt hat. Er wurde ebenso wie seine Lebensgefährtin in Minsk festgenommen.

In ersten Reaktionen aus der EU-Politik war von einem „Akt der Luftpiraterie“ und „Staatsterrorismus“ die Rede gewesen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte, das Urteil sei einstimmig gewesen: „Dies ist ein Angriff auf die Demokratie, dies ist ein Angriff auf die Meinungsfreiheit und dies ist ein Angriff auf die europäische Souveränität.“ Der Europäische Rat forderte eine sofortige Freilassung von Protassewitsch und seiner Lebensgefährtin. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach von einem „beispiellosen und inakzeptablen Vorgehen der belarussischen Behörden“.

Die EU will nun die bereits be­stehende Liste mit Personen und Unternehmen, gegen die Vermögenssperren und Einreiseverbote gelten, erweitern. Aktuell stehen 88 Personen und sieben Firmen beziehungsweise Organisationen auf der schwarzen Liste. Auch Vermögenswerte von Lukaschenko in der EU wurden im vergangenen Jahr schon eingefroren.

Welche Unternehmen genau durch die neuen Wirtschaftssanktionen getroffen werden, ist aktuell noch nicht klar. Merkel verwies darauf, dass entsprechende Entscheidungen auch „gerichtsfest“ sein müssten.

Von der Leyen kündigte zudem an, eigentlich geplante Investitionen von rund 3 Mrd. Euro in Belarus auf Eis zu legen. Das Geld werde so lange nicht fließen, bis Belarus wieder einen demokratischen Kurs einschlage, sagte die Kommissionspräsidentin. Belarus profitierte bislang unter anderem von EU-Nachbarschaftshilfen und auch Krediten der Europäischen Investitionsbank (EIB).

Auch USA wollen Sanktionen

Scharfe Reaktionen kamen auch aus den USA. Mit Blick auf mögliche Sanktionen gegen Belarus erklärte Präsident Joe Biden, er habe sein Team angewiesen, „angemessene Optionen“ zu entwickeln, „um die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen“. Dies solle in enger Abstimmung mit Partnern wie der EU geschehen. Der Vorfall sei „skandalös“, sagte Biden.

Zur Rolle Russlands in dem Fall der umgeleiteten Ryanair-Maschine hatten die Staats- und Regierungschefs der EU noch „keine gesicherten Erkenntnisse“, wie Kanzlerin Merkel nach dem Gipfel in einer Pressekonferenz sagte. Der russische Präsident Wladimir Putin hatte seinem Amtskollegen Lukaschenko am Sonntag noch einmal demonstrativ den Rücken gestärkt, eine Verwicklung in den Fall allerdings zurückgewiesen. Eine strategische Debatte über die künftigen Beziehungen wurde auf dem EU-Gipfel dennoch geführt, da sie ohnehin auf der Agenda stand. Beschlüsse wurden allerdings noch nicht gefasst.

Auf dem Juni-Gipfel wollen die Regierungschefs nun konkrete Handlungsoptionen für ihre künftige Russland-Strategie beraten. In der jetzigen Gipfelerklärung hieß es bereits, der Europäische Rat verurteile „die rechtswidrigen, provokativen und disruptiven russischen Aktivitäten gegenüber der EU, ihren Mitgliedstaaten und darüber hinaus“. Die Regierungschefs bekräftigten zugleich die Solidarität in der EU – etwa in Moskaus Streit mit Tschechien – sowie ihre Unterstützung für die östlichen Partnerländer, beispielsweise für die Ukraine.