EU-Industriestrategie

EU will Abhängigkeiten im Binnenmarkt verringern

Die Pandemie hat die Schwachstellen der europäischen Wirtschaft offengelegt. Die EU-Kommission reagiert nun und bessert die Industriestrategie nach. Abhängigkeiten sollen auch mit Hilfe neuer Allianzen in strategisch wichtigen Sektoren verringert werden.

EU will Abhängigkeiten im Binnenmarkt verringern

Als Lehre aus der Coronakrise will die EU-Kommission die Abhängigkeiten der europäischen Wirtschaft von Importen aus Drittstaaten deutlich senken. Dazu gehört auch, kritische oder strategisch wichtige Industrieproduktionen mit Hilfe von Allianzen zu unterstützen und voranzubringen. Dies kündigte die Brüsseler Behörde am Mittwoch im Zuge ihrer Überarbeitung der europäischen Industriestrategie an.

Konkret wird demnach aktuell an Allianzen für Prozessoren und Halbleitertechnologien sowie für Indus­triedaten, Spitzen- und Cloud Computing gearbeitet. Auch laufen schon Vorbereitungen für eine Allianz für Trägerraketen sowie für eine emissionsfreie Luftfahrt. Ziel könnte jeweils die Bündelung und öffentliche Förderung dieser Branchen über eine Gründung eines sogenannten wichtigen Vorhabens von gemeinsamem europäischem Interesse (IPCEI) sein, wie es in der EU bereits im Bereich der Batteriefertigung existiert.

Der für den Binnenmarkt zuständige EU-Kommissar Thierry Breton betonte in Brüssel, die eigentliche industrielle Revolution beginne jetzt: „Voraussetzung dafür ist, dass wir die richtigen Investitionen in Schlüsseltechnologien tätigen und die richtigen Rahmenbedingungen schaffen.“ Unterstützung signalisierte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Er verwies darauf, dass Zukunftstechnologien in Europa durch gezielte Investitionsanreize in gemeinsame Projekte gefördert werden müssten, beispielsweise in der Batteriefertigung der Mikroelektronik, im Wasserstoffsektor oder beim Projekt Gaia-X.

An einer Allianz im Halbleiterbereich haben laut Breton bereits 22 Mitgliedsländer Interesse gezeigt, ebenso wie zahlreiche kleinere und größere Unternehmen. Die EU will laut Breton den Marktanteil der heimischen Chipproduktion bis 2030 auf etwa 20% verdoppeln.

Weitere Details zu der geplanten Allianz nannte die EU-Kommission noch nicht. Sie will nun zunächst eingehende Überprüfungen der Abhängigkeiten in den Bereichen Rohstoffe, Batterien, pharmazeutische Wirkstoffe, Wasserstoff, Halbleiter sowie Cloud- und Spitzentechnologien einleiten.

In einer ersten Analyse von rund 5200 in die EU eingeführten Produkten wurden 137 als sensibel eingestuft. Diese Produkte standen für 6% des gesamten Importwerts und kamen vor allem in den energieintensiven Industrien – etwa Rohstoffe – und im Gesundheitssektor – wie pharmazeutische Wirkstoffe – zum Einsatz.

Die Hälfte dieser Importe stammte aus China. Bei 34 Produkten mit einem Anteil von 0,6% an den EU-Importen stellte die EU-Kommission sogar eine besonders hohe Abhängigkeit fest – einhergehend mit einem geringen Potenzial für eine Diversifizierung der Lieferketten oder eine Substitution. Teil der Nachbesserungen in der Industriestrategie sind daher auch neue internationale Partnerschaften, wie etwa mit Indien.

Die EU-Kommission schlug zu­gleich ein neues Kriseninstrument vor, das den freien Waren- und Personenverkehr in künftigen Krisen gewährleisten soll. Auch im Bereich der Normung soll es möglicherweise neue Regeln geben, genau wie im Bereich der Unternehmensdienstleistungen – damit die EU hier global eine stärkere Führungsrolle übernehmen kann. Abgerundet wird die Strategie durch Erleichterungen für kleine und mittlere Firmen (KMU).

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