Geldpolitik

Euro-Hüter ringen um weiteren Kurs

Wegen der hohen Inflation hat die EZB weitere Zinsschritte avisiert. Tempo und Umfang sind aber unklar und im EZB-Rat teils umstritten. Die Euro-Notenbanker ringen nun zusehends auf offener Bühne.

Euro-Hüter ringen um weiteren Kurs

ms Frankfurt

Gut zwei Wochen vor der nächsten EZB-Zinssitzung ringen die Euro-Notenbanker zusehends auf offener Bühne um den nächsten Zinsschritt und den weiteren Zinskurs. So forderten jetzt unter anderem Bundesbankpräsident Joachim Nagel und der niederländische Zentralbankchef Klaas Knot weitere kräftige Zinserhöhungen. Dagegen warnte Portugals Notenbankchef Mario Centeno erneut vor einer Überreaktion. Frankreichs Zentralbankchef François Villeroy de Galhau erklärte derweil, dass die EZB darauf abziele, die Inflation in zwei bis drei Jahren wieder auf 2% zu bringen.

Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte nach einigem Zaudern im Juli mit einer Anhebung um 50 Basispunkte die Zinswende eingeleitet und im September mit 75 Punkten nachgelegt – ein Rekordschritt. Sie hat weitere Zinsschritte avisiert, Tempo und Umfang sind aber unklar und im EZB-Rat teils umstritten. Hintergrund ist ein gewisses Dilemma: Die Inflation liegt so hoch wie nie und hat im September sogar erstmals die 10-Prozent-Marke geknackt. Zugleich wächst aber die Rezessionsgefahr, nicht zuletzt wegen des Ukraine-Kriegs und der dadurch ausgelösten Energiekrise. Zuletzt mehrten sich die EZB-Signale für eine weitere Anhebung um 75 Basispunkte bei der Sitzung am 27. Oktober.

EZB-Ratsmitglied Knot sagte nun am Montag, dass die EZB auf ihren nächsten beiden Zinssitzungen – im Oktober und im Dezember – „deutliche Schritte“ vornehmen müsse. Damit schürte der zu den „Falken“, also den Hardlinern zählende Notenbanker Erwartungen, dass in diesem Monat die zweite Zinserhöhung um 75 Basispunkte anstehen könnte. Er sagte zudem, dass die EZB zunächst die „Normalisierung“ der Zinsen abschließen müsse. Erst dann könne sie sich der Diskussion darüber zuwenden, wie die Billionen Euro an Anleihen, die sie während der jüngsten Krisen gekauft hat, reduziert werden können. Er erwartet, dass diese „quantitative Straffung“ nicht vor 2023 beginnt.

Auch Bundesbankpräsident Nagel ist für weitere kräftige Leitzinserhöhungen. Das bekräftigte er dem Vernehmen nach auch am Montag beim geldpolitischen Dialog im Bundestag. Zugleich sprach er sich erneut für eine Diskussion aus, wie das Eurosystem die Anleihebestände reduzieren kann. „Wenn es 10% Inflation, aber nur 1,25% Zinsen gibt, dann ist für mich der Handlungsbedarf klar. Ja, die Zinsen müssen weiter steigen – und zwar deutlich“, hatte er bereits am Wochenende der „Süddeutschen Zeitung“ gesagt. Zudem sagte er: „Auf Sicht muss das Eurosystem auch seine Anleihebestände zurückfahren.“

Allerdings gibt es auch warnende Stimmen. Portugals Notenbankchef Mário Centeno wies in Lissabon darauf hin, dass eine Normalisierung der Geldpolitik zwar absolut notwendig und wünschenswert sei. „Gleichzeitig müssen geldpolitische Entscheidungen graduell und von Flexibilität und Proportionalität geleitet sein“, fügte er aber hinzu. Die Kosten einer aggressiven Geldpolitik könnten größer sein als deren Vorteile. Zudem sei ihre Wirksamkeit angesichts von Angebotsschocks wie den Verwerfungen auf den Energiemärkten und den Engpässen bei Rohstoffen begrenzt. Ein Entscheidungsträger dürfe selbst kein Faktor der Instabilität werden. „Und das wird schlimmer, wenn die Entscheidungen kurze Zeit später zurückgenommen werden müssen, was sich auf die Glaubwürdigkeit auswirkt, insbesondere von Zentralbanken.“

Zwei bis drei Jahre Horizont

Frankreichs Notenbankchef Villeroy de Galhau zufolge arbeitet die EZB daran, die Inflation in zwei bis drei Jahren auf die EZB-Zielmarke von 2% zu senken. „Das ist ein sehr starkes Signal, das die Zentralbank an alle Wirtschaftsakteure sendet“, sagte er im Radiosender France Culture. Diese liege aber noch weit entfernt. Er merkte zudem an, dass geldpolitische Maßnahmen ihre volle Wirkung erst nach zwei bis drei Jahren entfalteten. Die Euro-Inflation liegt seit Juli 2021 über der 2-Prozent-Marke. In den Jahren zuvor hatte sie lange dar­unter gelegen, teils sogar unter 0%.

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