Industrieproduktion

Euro-Industrie darbt noch länger

Die Euro-Industrie kann trotz eines erneuten Produktionsminus im September optimistisch in die Zukunft blicken. Die Grundlagen für ein kräftiges Wachstum sind da – doch werden sich die bremsenden Lieferkettenprobleme nicht so schnell auflösen.

Euro-Industrie darbt noch länger

ba/ms Frankfurt

Zum Ende des dritten Quartals hat die unter der Lieferkettenproblematik leidende Euro-Industrie die Produktion nicht ganz so kräftig heruntergefahren wie befürchtet. Daten des Statistikamts Eurostat zufolge war der Ausstoß im September um 0,2% niedriger als im Vormonat. Ökonomen sind aber zuversichtlich, dass die Fertigung bald wieder kräftig anzieht, denn abseits der logistischen Schwierigkeiten und der massiven Kostensteigerungen – insbesondere der Energie – sind die Aussichten für die Industrie im Euroraum grundsätzlich gut: Die Nachfrage ist trotz einer langsameren Gangart der globalen Wirtschaft hoch und die Auftragsbücher gut gefüllt. Gemessen an der jüngsten Umfrage der EU-Kommission liegt die Stimmung der Industrieunternehmen nahe dem Rekordhoch, die Produktionserwartungen sind auf hohem Niveau, und die Unternehmen planen zunehmend Neueinstellungen (siehe Grafik).

Ökonomen hatten für September mit einem größeren Produktionsminus von 0,5% gerechnet, nachdem die Daten in den beiden größten Euro-Volkswirtschaften schwach ausgefallen waren: Eurostat meldet für Deutschland einen Rückgang von 1,4% zum Vormonat und für Frankreich von 1,3%. Im August hatte die Euro-Industrie den Output um revidiert 1,7 (zuvor: 1,6)% gedrosselt. Im Vorjahresvergleich erhöhte sich der Ausstoß um 5,2%, wohingegen Ökonomen nur ein Plus von 4,1% auf dem Schirm hatten.

Mit Blick auf die deutsche Indus­trie sorgt für Zuversicht, dass die Zahl der Unternehmen, die in der monatlichen Ifo-Umfrage über Lieferprobleme und Materialengpässe klagen, im Oktober erstmals in diesem Jahr zurückgegangen ist. Zudem sind Daten des Automobilverbands VDA zufolge im Oktober wieder mehr Pkw vom Band gelaufen. Auch hat der Warenverkehr gemessen am Lkw-Maut-Index wieder zugelegt – ein experimenteller Indikator des Statistischen Bundesamts, der ein guter Signalgeber für die Industrieproduktion ist. Allerdings, so warnen etwa die Ökonomen der Commerzbank, drohen die aktuell wieder zulegenden Corona-Infektionszahlen die Erholung weiter zu verzögern. In Asien, insbesondere in China, würden immer wieder Fabriken und Häfen geschlossen. Vor vielen Häfen gebe es einen noch nie gesehenen Rückstau an Containerschiffen. Aber auch vor US-Häfen ankern reihenweise Frachter und warten darauf, ent- und wieder beladen zu werden.

Nur langsame Besserung

Eine schnelle Besserung bei den Logistikproblemen ist derzeit nicht in Sicht – der jüngsten Ifo-Umfrage zufolge geht es so noch etwa acht Monate lang weiter. Laut EZB-Ratsmitglied Olli Rehn ist eine spürbare Linderung der als Inflationstreiber wirkenden Lieferkettenprobleme im Euroraum wahrscheinlich erst gegen Ende 2022 zu erwarten. Zudem mahnte der Finne, die EZB müsse trotz der erhöhten Inflation „geduldig und umsichtig“ vorgehen. Er schloss sich damit jenen Euro-Notenbankern an, die vor einer übereilten Straffung der Geldpolitik warnen und sich gegen Spekulationen auf baldige Zinserhöhungen stemmen. Vor allem EZB-Präsidentin Christine Lagarde und EZB-Chefvolkswirt Philip Lane warnen immer wieder vor einer Überreaktion. Auch das litauische EZB-Ratsmitglied Gediminas Simkus sagte am Freitag, die Inflationsrate dürfte 2023 wieder unter den Zielwert der EZB von 2% sinken, womit die von der EZB festgelegten Bedingungen für eine Zinserhöhung nicht erfüllt sein dürften. Am Geldmarkt wird inzwischen dennoch damit gerechnet, dass die EZB bis Ende nächsten Jahres sogar zwei Zinserhöhungen beschließen wird.

Hintergrund solcher Spekulationen sind neben der hartnäckig hohen Inflation auch Aussagen von Notenbankern, die vor Inflationsrisiken warnen und signalisieren, im Notfall lieber schneller handeln zu wollen. Am Donnerstag hatte Österreichs Notenbankchef Robert Holzmann mit Aussagen aufhorchen lassen, dass die EZB im September 2022 ihre Anleihekäufe komplett beenden könnte. Im Dezember will der EZB-Rat wichtige Weichen für die künftige Geldpolitik stellen.