Euro-Inflation klettert in Richtung EZB-Ziel
ms Frankfurt
Die Inflation im Euroraum hat im April noch einmal kräftig angezogen und steuert mit nun 1,6% in Richtung des EZB-Inflationsziels von knapp unter 2%. Wenngleich der Anstieg von Volkswirten genau so erwartet worden war, dürfte er die Debatte über einen dauerhafteren Trend zu mehr Inflation auch in Euroland weiter anheizen. Die Europäische Zentralbank (EZB) glaubt aber an einen temporären Trend und hält unbeirrt an ihrer ultralockeren Geldpolitik fest. Sie argumentiert nicht zuletzt mit der Unterauslastung der Kapazitäten – auch wenn die Arbeitslosenquote schrittweise sinkt.
Für das von Eurostat am Freitag gemeldete Anziehen der Inflation im April von 1,3% auf 1,6% war vor allem ein kräftiges Plus bei den Energiepreisen verantwortlich. Sie legten zum Vorjahr um 10,3% zu. Dies ist auch eine Folge des drastischen Ölpreiseinbruchs während der ersten Coronawelle vor einem Jahr. Im März hatte das Plus nur bei 4,3% gelegen, und im Januar und Februar hatte sich Energie sogar noch verbilligt. Die Preise für Industriegüter ohne Energie erhöhten sich im April um 0,5% (März: 0,3%). Die Preise für Dienstleistungen stiegen um 0,9% (1,3%), und unverarbeitete Lebensmittel verbilligten sich gar um 0,4% (+1,6%).
Die Inflationsrate, die nun auf einem Zwei-Jahres-Hoch liegt, hat damit seit Ende 2020 um insgesamt 1,9 Prozentpunkte zugelegt. Im Dezember waren die Verbraucherpreise auf Jahressicht noch rückläufig gewesen. Der Anstieg ist damit auch stärker ausgefallen als von der EZB selbst zum Jahreswechsel erwartet. In den nächsten Monaten ist mit einem weiteren Anziehen zu rechnen, und auch in der EZB wird ein Erreichen oder gar Überschreiten des 2-Prozent-Ziels gegen Jahresende erwartet. Dieses Ziel verfehlt die EZB de facto seit Frühjahr 2013.
Die Euro-Hüter sehen den Inflationstrend aber von temporären Faktoren wie den Energiepreisen getrieben und erwarten schon 2022 wieder rückläufige Raten. Sie wollen deshalb durch diese Entwicklung „hindurchschauen“ und sehen keinen Grund für eine Abkehr von der ultralockeren Geldpolitik. Mitte März hatten sie sogar erst ihre Notfallanleihekäufe zeitweise beschleunigt, um weiter für sehr günstige Finanzierungsbedingungen zu sorgen. Sie verweisen nicht zuletzt auf die Kerninflation ohne Energie und Lebensmittel, die im April sogar leicht von 0,9% auf 0,8% nachgab. Sie gilt als besserer Gradmesser für den zugrundeliegenden Inflationstrend.
Allerdings lassen es die Daten auf den vorgelagerten Preisstufen zunehmend fraglich erscheinen, dass die Preise nur von Einmaleffekten getrieben werden. Die Erzeugerpreise in Deutschland etwa hatten im März um 3,7% zugelegt – so stark wie seit November 2011 nicht mehr. Zudem gibt es bei einigen Gütern wie Halbleitern zunehmend Knappheiten – was die Preise treibt.
Die EZB sieht indes wie viele Volkswirte vor allem die Unterauslastung der Kapazitäten als zentrales Argument gegen einen dauerhaften Inflationstrend. So fiel zwar die Arbeitslosenquote im März gegenüber Februar unerwartet um 0,1 Punkte auf 8,1%, wie Eurostat am Freitag mitteilte. Analysten hatten mit einer konstanten Quote gerechnet. Zum Vorjahresmonat liegt die Quote aber wegen der Pandemie deutlich höher. Im Februar 2020, vor Ausbruch der Pandemie, hatte sie 7,1% betragen.