Verbraucherpreise

Euro-Inflation macht unerwartet starken Sprung

Unter Volkswirten und Marktteilnehmern tobt eine Debatte über ein Comeback der Inflation – auch im Euroraum. Frisch veröffentlichte Preisdaten dürften diese Diskussion anheizen. Die EZB bleibt wohl vorerst unbeeindruckt.

Euro-Inflation macht unerwartet starken Sprung

Die Inflation im Euroraum hat zu Jahresbeginn deutlich stärker angezogen als ohnehin erwartet worden war. Die Verbraucherpreise legten gegenüber dem Vorjahresmonat um 0,9% zu, wie Eurostat in einer ersten Schätzung mitteilte. Volkswirte hatten im Schnitt mit 0,5% gerechnet, nachdem die Preise im Dezember gar noch um 0,3% gesunken waren. Das dürfte die Debatte über ein Comeback der Inflation befeuern. Die Europäische Zentralbank (EZB) wird aller Voraussicht nach trotzdem an ihrer ultraexpansiven Geldpolitik festhalten – zumal sie davon ausgeht, dass der stärkere Preisauftrieb vorübergehend ist.

Dass die Inflation spürbar anziehen würde, war allgemein erwartet worden. Hintergrund ist nicht zuletzt, dass in Deutschland die temporäre Mehrwertsteuersenkung zum Jahreswechsel ausgelaufen und eine CO2-Abgabe für Öl und andere Energieträger eingeführt worden ist. Zudem fällt der negative Basiseffekt bei den Energiepreisen infolge des Ölpreiseinbruchs zu Beginn der Coronakrise sukzessive aus der Statistik heraus – und kehrt sich tendenziell sogar um. Hinzu kommt die Hoffnung, dass sich die Euro-Wirtschaft in diesem Jahr kräftig erholt, was auch die Inflation ankurbeln sollte.

Der Anstieg fällt aber deutlicher als prognostiziert – ähnlich wie zuvor schon isoliert in Deutschland und Frankreich. Zudem legte auch die Kerninflation ohne Energie und Lebensmittel deutlich stärker zu, als allgemein erwartet worden war. Sie sprang von 0,2% im Dezember auf 1,4%. Die Konsensschätzung hatte hier bei 0,9% gelegen. Die Kernrate gilt der EZB als besserer Gradmesser des zugrundeliegenden Preisdrucks im Euroraum. Aber auch hinter dem unerwartet starken Anstieg der Kernrate stecken Sondereffekte wie der verspätete Winterschlussverkauf. Da zeichnet sich in den nächsten Monaten eine Gegenbewegung ab.

Alles in allem dürfte die Inflation wegen der Basis- und Sondereffekte und mit einer perspektivisch erwarteten Erholung der Euro-Wirtschaft weiter anziehen. Im Herbst könnte sogar das EZB-Inflationsziel von unter, aber nahe 2% in greifbare Nähe rücken. Der weitere Verlauf ist weniger eindeutig und aktuell Gegenstand intensiver Debatten unter Volkswirten und Marktteilnehmern. Nach verbreiteter Ansicht werden auch mittelfristig insbesondere die unterausgelasteten Kapazitäten in der Industrie und am Arbeitsmarkt den Preisauftrieb bremsen. Viele Volkswirte setzen zudem darauf, dass weltweit inflationsdämpfende Faktoren wie die Globalisierung und Digitalisierung auch künftig für einen geringen Preisdruck sorgen. Demgegenüber gibt es aber auch gute Gründe anzunehmen, dass die disinflationären Kräfte der vergangenen Jahrzehnte nachlassen könnten.

Die EZB-Oberen hatten in den vergangenen Tagen und Wochen klargemacht, dass sie den sich abzeichnenden spürbaren Anstieg der Teuerung in diesem Jahr eher als ein temporäres Phänomen denn als einen neuen Trend ansehen. So sagte etwa EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel unlängst in einem Interview: „Kurzfristig kann sich durchaus eine gewisse Dynamik entwickeln. Aber eine solche kurzfristige Entwicklung darf man nicht mit einem anhaltenden Anstieg der Inflation verwechseln, der voraussichtlich nur sehr langsam eintreten wird. Deshalb würde das unsere geldpolitischen Entscheidungen, die auf einen mittelfristigen Horizont ausgerichtet sind, nicht wesentlich beeinflussen.“ Die klare Botschaft: An der ultralockeren Geldpolitik wird der EZB-Rat erst einmal nicht rütteln.

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