Euroraum hängt Deutschland ab
Euroraum hängt Deutschland ab
Rezession vermieden – Spanien und Portugal wachsen kräftig – Stagnation in Frankreich
ba Frankfurt
Sowohl die Euro-Wirtschaft als auch Deutschland sind knapp einer Rezession entkommen. Ein Minus hat Deutschland aber eingefahren. Während der private und der staatliche Konsum, vor allem aber der Außenhandel im Euroraum Schwung gebracht haben, dürften die Investitionen gebremst haben.
Die Euro-Wirtschaft ist dank des teils kräftigen Wachstums der Urlaubsländer Spanien, Italien und Portugal an der Rezession vorbeigeschrammt. Dass es knapp werden würde, war spätestens bei der Erstschätzung eines schrumpfenden Bruttoinlandsprodukts (BIP) in der größten Euro-Volkswirtschaft Deutschland klar. Ökonomen warnen daher auch vor zu großer Freude: Denn die Aussichten bleiben trübe und der erhoffte spürbare Aufschwung lässt mit Blick auf neue Frühindikatoren wie die Wirtschaftsstimmung oder der Einkaufsmanagerindex für den Euroraum weiter auf sich warten. Die anhaltende Konjunkturschwäche bestärkt die Ökonomen, die mehrheitlich für Juni eine erste Zinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB) erwarten.
In den drei Monaten bis Dezember hat das BIP im Euroraum stagniert, nachdem es im dritten Quartal noch um 0,1% gesunken war. Ökonomen hatten ein weiteres Minus von 0,1% erwartet, womit die Euro-Wirtschaft per Definition in eine technische Rezession gerutscht wäre. Eurostat vermeldete zudem eine Jahreswachstumsrate von 0,5%.
IWF senkt Prognosen
Gestützt wurde das Wachstum zum Jahresende im gemeinsamen Währungsraum von den südeuropäischen Ländern, wohingegen die beiden Schwergewichte Deutschland und Frankreich bremsten. In Deutschland ist das BIP um 0,3% geschrumpft, da vor allem in Bauten und Ausrüstungen deutlich weniger investiert wurde als im Vorquartal, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilte. Damit behält Deutschland die rote Laterne und wird sie wohl auch nicht so schnell los: Der Internationale Währungsfonds (IWF) etwa erwartet für dieses Jahr nur mehr ein BIP-Plus von 0,5% statt bislang 0,9%. Der Euroraum hingegen dürfte um 0,9% zulegen – allerdings lag die Prognose hier zuletzt bei 1,2%.
Italien überrascht positiv
Etwas besser hielt sich Frankreich. Wie von Ökonomen erwartet stagnierte hier die Wirtschaft wie schon im dritten Quartal. Während der Außenhandel die Konjunkturstütze bildete, fielen der Privatkonsum und die Investitionen geringer aus. Das BIP-Wachstum von 0,9% im Gesamtjahr 2023 beruhte allein auf dem starken Frühjahr. Italien wiederum überraschte positiv. Statt einer Stagnation legte das BIP um 0,2% am Jahresende zu. Für das Gesamtjahr ergab sich ein Wachstum von 0,7%.
Italien zählt zu den Ländern, die auch in diesem Jahr von einer guten Tourismussaison profitieren dürften – denn "Urlaub genießt bei vielen Verbrauchern auch im laufenden Jahr eine hohe Präferenz", wie Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank erwartet. Gespart werde an Lebensmitteln, Möbeln und elektronischen Waren, nicht aber am Urlaub. Die Iberische Halbinsel aber ist für ihn derzeit das "europäische Powerhouse". Spaniens BIP legte im Schlussquartal um 0,6% zu. Im Gesamtjahr ergeben sich "im europäischen Vergleich beeindruckende 2,5%". Aber auch im Nachbarland Portugal laufe es mit einem BIP-Zuwachs von kräftigen 0,8% im vierten Quartal rund.
Das schwächste Wachstum im Schlussabschnitt unter den Ländern, für die bereits Daten vorliegen, verzeichnet Irland mit einem Minus von 0,7%. Experten warnen allerdings vor statistischen Verzerrungen, die die Aussagekraft irischer Wachstumszahlen beeinträchtigen.
Wirtschaftsstimmung etwas schlechter
Frühindikatoren lassen erwarten, dass die Euro-Wirtschaft zumindest im ersten Quartal noch nicht merklich an Fahrt aufnehmen wird. So ist die Wirtschaftsstimmung im Euroraum im Januar um 0,1 auf 96,2 Punkte gefallen und liegt damit weiter unter dem langjährigen Durchschnitt. Die Entwicklung verlief dabei uneinheitlich: Während sich die Stimmung in der Industrie und bei den Dienstleistern aufhellte, fielen die Vertrauensindikatoren im Handel und im Bau. Auch die Verbraucher zeigten sich zugeknöpfter als zuletzt.
Der Blick auf den monatlich von der EU-Kommission erhobenen Economic Sentiment Index (ESI) spiegelt die BIP-Daten wider. So ist unter den größten Euro-Volkswirtschaften der ESI in Deutschland kräftig zurückgegangen (–2,2 Punkte), während er sich in Italien (+3,8), Frankreich (+2,4) und Spanien (+1,4) deutlich verbessert hat.
Gemischtes Signal für den Arbeitsmarkt
Weniger rosig sieht auch das Signal für den Arbeitsmarkt aus: Der Employment Expectations Indicator (EEI) sank um 0,8 auf 102,5 Punkte, liegt damit aber noch über dem langjährigen Schnitt. In der gesamten EU gab der EEI um 0,7 auf 102,1 Zähler nach. Auch wenn die Unternehmen mit einem geringeren Geschäft rechnen, wollen sie dennoch am Personal festhalten oder Jobs aufbauen: Der Labour Hoarding Indicator (LHI), der dies misst, legte um 0,4 Punkte zu.