Exporte trotzen noch den Engpässen
ba Frankfurt
Die deutschen Exporteure haben im Mai ihre Erfolgsserie trotz der Lieferengpässe und weiter rückläufiger Produktion fortgeschrieben. Das dreizehnte Plus in Folge fiel allerdings – wie schon im April – nicht ganz so kräftig aus wie erwartet. Laut Statistischem Bundesamt (Destatis) sind die Ausfuhren im Mai kalender- und saisonbereinigt um 0,3% im Monatsvergleich gestiegen. Ökonomen hatten nach dem Plus von revidiert 0,2 (zuvor: 0,3)% im April einen doppelt so hohen Anstieg um 0,6% prognostiziert. Die Importe kletterten um 3,4%, nachdem sie im April noch um revidiert 1,4 (1,7)% gesunken waren.
Ökonomen würdigten zwar den erneuten Exporterfolg, fanden aber auch mahnende Worte. Für Andreas Scheuerle von der DekaBank etwa zeigen sich bei der Außenwirtschaft „allerdings Schleier vor dem blauen Himmel“. Denn die nominalen Destatis-Daten seien durch die stark ansteigenden Preise nach oben verzerrt. Rechne man die monatlichen Preisänderungen heraus – die Importpreise lagen 11,8% und damit so hoch wie nie zuvor über dem Vorjahresstand, und die Exportpreise übertrafen das Vorjahresniveau um 4,3% –, so sei die reale Ausfuhr im Mai sogar zum zweiten Mal in Folge gesunken, um 0,4% zum Vormonat, während die Einfuhr um 1,7% im Monatsvergleich zulegte.
Für Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank, ist es „nur eine Frage der Zeit, ehe sich die Materialknappheit auch auf die Ausfuhren niederschlagen wird“. Werde weniger produziert, könne auch weniger exportiert werden – und in diesem Jahr war die Industrieproduktion mit Ausnahme des März jeweils im Minus. Die inmitten der Pandemie boomende Industriekonjunktur normalisiere sich allmählich, in Deutschland und weltweit. „Der Wachstumszenit dürfte im zweiten Halbjahr durchschritten werden – auch bei den Exporten“, betonte Gitzel.
ING-Chefökonom Carsten Brzeski erwartet bei anhaltenden Lieferkettenproblemen in den kommenden Monaten ebenfalls mehr Lieferprobleme und damit einigen Verzerrungen der Exportdaten. Zudem mahnte er, dass sich die Rolle Chinas gewandelt habe, was sich darin zeige, „dass die chinesischen Exporte des verarbeitenden Gewerbes erstmals die deutschen übertrafen“. Das Reich der Mitte sei „nicht mehr nur ein willkommenes Exportziel für deutsche Hersteller, sondern hat sich zu einem harten Konkurrenten auf den globalen Märkten entwickelt“, sagte Brzeski. Im Mai kletterten die deutschen Exporte nach China um 17,1%, während in das wichtigste Absatzland 40,7% mehr Waren „made in Germany“ ausgeführt wurden. Die Exporte nach Großbritannien stiegen um 46,3%. Insgesamt wurden im Mai Waren im Wert von 109,4 Mrd. Euro ins Ausland verkauft. Das sind 36,4% mehr als im Mai 2020, der allerdings vom damaligen Lockdown stark beeinflusst war, wie die Wiesbadener Statistiker anmerkten. Die Importe von 97,1 Mrd. Euro übertrafen das Vorjahresniveau um 32,6%. Der kalender- und saisonbereinigte Überschuss der Außenhandelsbilanz engte sich im Mai auf 12,6 Mrd. Euro ein, nach 15,6 Mrd. Euro im April.
„Nach turbulenten Monaten der Pandemie stabilisiert sich die Erholung des deutschen Außenhandels“, kommentierte Anton F. Börner, Präsident des Außenhandelsverbands BGA, die Daten. Große Sorgen bereite „das derzeitige Chaos im Frachtverkehr, die immens gestiegenen Preise für Container sowie Rohstoffengpässe“. Gleichwohl zeigte er sich überzeugt, dass sich der Markt mittel- bis langfristig wieder einpendeln werde. Einem Eingriff der Politik, wie von manchen gefordert, erteilte er aber eine Absage: Dies „würde die Situation nur verschlimmbessern“. Politisches Handeln mahnte er aber mit Blick auf das Infektionsgeschehen an: Von den dringend nötigen vorbereitende Maßnahmen für den Herbst, um eine vierte Welle zu vermeiden, sei noch nichts zu sehen. „Die Politik macht wieder dieselben Fehler wie im vergangenen Jahr: dass sie es in den Sommermonaten schleifen lässt, anstatt die Zeit zu nutzen“, beklagte Börner.