EZB befürchtet „Balanceakt“
EZB befürchtet „Balanceakt“
September-Sitzung könnte laut Notenbank wegweisend für die weitere Geldpolitik werden
mpi Frankfurt
Eine schwächelnde Euro-Wirtschaft gepaart mit einer weiterhin hartnäckigen Inflation stellt die EZB vor eine große Herausforderung. Die Ratsmitglieder der Notenbank bekräftigten auf ihrer Zinssitzung im Juli, dass es für die EZB äußerst wichtig sei, die Inflation in einer angemessenen Zeitspanne nachhaltig auf den Zielwert von 2% zu senken. Das geht aus dem von der EZB am Donnerstag veröffentlichten Sitzungsprotokoll hervor.
Aufgrund der hohen Inflation der vergangenen Jahre seien die Inflationserwartungen der Verbraucher fragil. Es sei für die Glaubwürdigkeit der Notenbank wichtig, das Inflationsziel relativ zeitnah zu erreichen. Aus früheren Aussagen geht hervor, dass die EZB die Inflationsrate bis spätestens Ende 2025 nachhaltig auf 2% drücken will.
Notenbank muss abwägen
Allerdings muss die Notenbank bei ihren künftigen Zinsentscheiden abwägen zwischen einerseits den negativen Auswirkungen der restriktiven Geldpolitik auf die schwächelnde Euro-Wirtschaft und andererseits der Gefahr einer in Hinblick auf die Inflation zu lockeren Geldpolitik.
„Die Ratsmitglieder räumten ein, dass sich die kurzfristigen Wachstumsaussichten verschlechtert haben“, heißt es im Sitzungsprotokoll. Eine weiche Landung, also das Vermeiden einer Rezession bei gleichzeitigem Erreichen des Inflationsziels, sei weiterhin erreichbar. Aber die Währungshüter müssten aufpassen, dass die Geldpolitik nicht zu lange restriktiv bleibt und so der Wirtschaft einen unnötigen Schaden zufügt.
Überraschend hartnäckig
Gleichzeitig dürfte aber auch nicht zu früh zu stark gelockert werden, da dann das Inflationsziel gefährdet sei. Es „wurde betont, dass eine graduelle Lockerung der geldpolitischen Restriktion ein Balanceakt ist“, schreibt die EZB im Sitzungsprotokoll. Die Inflation erweise sich als noch hartnäckiger als gedacht.
„Die letzte Meile der Inflationsbekämpfung ist anspruchsvoller gewesen und die Aufgabe, die Inflation nachhaltig auf das 2-Prozent-Ziel zu senken, ist trotz der erheblichen Fortschritte noch nicht gesichert“, führt die Notenbank aus. Zentral für den Inflationsausblick ist laut EZB die Lohnentwicklung.
Senkung der Leitzinsen erwartet
Die Finanzmärkte und die meisten Ökonomen gehen fest davon aus, dass die EZB auf ihrer Sitzung im September die Leitzinsen um 25 Basispunkte senken wird – auch wenn sich die Notenbank darauf nicht festlegen möchte. „Dieses Treffen sollte unvoreingenommen angegangen werden“, betont die Notenbank im Protokoll. Mit den ebenfalls am Donnerstag veröffentlichten Daten zu den Tariflöhnen im zweiten Quartal in der Eurozone dürfte eine Zinssenkung im September allerdings wahrscheinlicher geworden sein.
Das Lohnwachstum hat sich deutlich abgeschwächt. Auf der Zinssitzung im Juli äußerten einige Ratsmitglieder Zweifel daran, dass die Lohndynamik zeitnah schwächer wird, wie aus dem Protokoll ebenfalls hervorgeht. Die EZB geht jedoch davon aus, dass sich das Lohnwachstum verlangsamt und so die Inflation abnimmt, insbesondere bei Dienstleistungen.
EZB-Sitzung im September möglicherweise wegweisend
Die Zinssitzung im September könnte wegweisend werden. Die Notenbanker stellten bei ihrem Treffen im Juli fest, dass der in drei Wochen anstehenden Zinsentscheid eine gute Gelegenheit sei, um das Ausmaß des restriktiven geldpolitischen Kurses neu zu bewerten. Sprich, festzustellen, ob man sich beim Balanceakt noch im Gleichgewicht befindet. Offen ist, ob sich EZB in drei Wochen zu diesen Überlegungen äußern wird. Doch spätestens bei der Veröffentlichung des Sitzungsprotokolls für September wissen Beobachter mehr.