Euro-Konjunktur

EZB dämpft Hoffnung auf Konsumschub

Der private Konsum gilt vielen weiter als Hoffnungsträger für die Euro-Wirtschaft – auch wegen Studien, die von deutlich erhöhten Ersparnissen aus der Corona-Hochphase ausgehen. Eine EZB-Analyse widerspricht.

EZB dämpft Hoffnung auf Konsumschub

ms Frankfurt

Eine neue Analyse der Europäischen Zentralbank (EZB) dämpft die Hoffnung, dass zusätzliche Ersparnisse aus der Zeit der Corona-Hochphase zum Treiber des privaten Konsums und damit der Konjunktur werden – und dass diese auch als eine Art Schutzschild gegen die aktuell hohe Inflation wirken können. Auf dieser Hoffnung basiert nicht zuletzt der verhaltene Konjunkturoptimismus der EZB selbst. Dementsprechend könnte die neue Analyse auch Auswirkungen haben auf weitere Zinserhöhungen der Euro-Währungshüter.

In dem am Montag vorab veröffentlichten Kapitel aus dem neuen EZB-Wirtschaftsbericht schreibt die Notenbank, dass nur ein Fünftel der Haushalte in der Eurozone während der Pandemie seine Ersparnisse aufgestockt habe. Die Analyse basiert auf Umfragen in sechs der größten Euro-Länder in den Jahren 2020 und 2021. Demnach haben 20% der Befragten in diesem Zeitraum ihre Ersparnisse erhöht, während 16% sie sogar verringern mussten. Vor allem jene Haushalte, die finanziell ohnehin nicht besonders gut dastehen, haben laut EZB ihre Ersparnisse verringert.

„Insgesamt deuten die Ergebnisse nicht darauf hin, dass eine weit verbreitete aufgestaute Nachfrage den Ge­samtkonsum sofort ankurbeln wür­de, insbesondere wenn die Sorgen der Haushalte um ihre Finanzen nicht abnehmen“, schreiben die Au­toren als Schlussfolgerung. Zuletzt haben die Sorgen wegen der Finanzen sogar zugenommen. Weiter schreiben die Experten: „Die Verteilung der während der Covid-19-Pandemie angehäuften Einsparungen könnte das Ausmaß begrenzen, in dem diese Einsparungen die laufende Erholung des Verbrauchs vor den negativen Auswirkungen des jüngsten Anstiegs der Energiepreise schützen können.“

Die Analyse kommt zu einer Zeit, in der sich die negativen Konjunktursignale ohnehin mehren. Nicht zuletzt die Folgen des Ukraine-Kriegs haben sogar Ängste vor einer Rezession der Euro-Wirtschaft geschürt. Zugleich bleibt die Inflation hartnäckig hoch, weswegen die EZB unlängst erstmals seit elf Jahren ihre Leitzinsen erhöht hat. Für die Zukunft hat sie weitere Zinsanhebungen avisiert. Wegen der schlechteren Konjunkturlage ist aber die Frage, wie weit die Zinsen steigen.

Folgen des Ölpreisschocks

In einer zweiten, ebenfalls am Montag vorab veröffentlichten Analyse aus dem Wirtschaftsbericht be­schwichtigt die EZB dagegen Sorgen hinsichtlich der Folgen des starken Anstiegs der Ölpreise in den vergangenen Monaten. Laut der EZB könnte das Wachstumspotenzial im Euroraum mittelfristig aufgrund des Ölpreisanstiegs um etwa 0,8% sinken. Das stelle einen „begrenzten Schock“ dar, der im Zusammenhang mit dem kumulativen Anstieg des Produktionspotenzials gesehen werden sollte, der von der EU-Kommission für die nächsten vier Jahre auf etwa 5,2% geschätzt werde. Die EZB-Prognose geht von einem dauerhaften Öl­preisschock von 40% aus.

Den EZB-Fachleuten zufolge weisen Untersuchungen der Ölpreiskrise in den 1970er Jahren darauf hin, dass es für lang anhaltende Folgen für das Produktionspotenzial einer Wirtschaft aufgrund von Ölpreisschocks keine klaren Beweise gebe. Die Abhängigkeit der Wirtschaft vom schwarzen Gold sei zudem seit den 1970er Jahren deutlich geringer geworden. So sei 1973 rund ein Barrel Öl benötigt worden, um etwa 1000 Dollar an Wirtschaftsleistung (BIP) zu erbringen. Heute sei dafür weniger als die Hälfte erforderlich. Zu einem ähnlichen Ergebnis beim Vergleich der 1970er Jahre mit heute war die EZB bereits im Juni gekommen (vgl. BZ vom 23. Juni).

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