Geldpolitik

EZB entschließt sich zu XXL-Schritt

Die EZB hat die Leitzinsen um je 75 Basispunkte angehoben und weitere Schritte angekündigt. Über deren Höhe will sie von Sitzung zu Sitzung entscheiden. Zugleich bleibt sie dabei, dass sie kein Wechselkursziel verfolge.

EZB entschließt sich zu XXL-Schritt

fed Frankfurt

Durch den größten Zinserhöhungsschritt ihrer Ge­schichte hat die Europäische Zentralbank (EZB) den Zinskorridor ins deutlich positive Terrain gehievt. Die Einlagenfazilität springt von der Nulllinie auf nun 0,75%. Der Ausleihsatz für Hauptfinanzierungsgeschäfte, der gemeinhin als der zentrale Leitzins gilt, steigt von 0,5% auf 1,25%. Und die Spitzenfazilität verdoppelt sich von 0,75% auf 1,5%.

Mit der Anhebung des Einlagensatzes auf einen Wert über null ist der Staffelzins für die Verzinsung von Überschussreserven der Banken nicht mehr erforderlich. Das zweistufige System wurde daher ausgesetzt.

Bei den Anleihekaufprogrammen hat sich zunächst nichts geändert. EZB-Präsidentin Christine Lagarde erläuterte, dass sich die Zentralbank beim Bestreben, die Inflation von zuletzt 9,1% wieder in Richtung der Zielmarke zu steuern, zunächst auf das Instrument der Leitzinsen konzentriere. Andere Instrumente wie etwa ein Quantitative Tightening, also eine Reduzierung von Liquidität oder Geldmenge, spielten aktuell keine Rolle, könnten dies aber in Zukunft tun.

Lagarde räumte ein, dass die EZB mit ihren Inflationsprognosen danebengelegen habe – „so wie alle internationalen Organisationen und die meisten Volkswirte“. Schließlich hätten die Modelle schwerlich den durch den russischen Angriffskrieg forcierten Anstieg der Energiepreise voraussehen können. Nun sei die Inflationsrate „extrem hoch“. Dem Vorwurf, dass die Zentralbank zu spät gehandelt habe, setzte sie entgegen, dass sich die EZB bei der Normalisierung der Geldpolitik „auf einer Reise befindet, die schon voriges Jahr gestartet wurde“.

Nichts Neues bei TPI

Angesprochen auf das in der Öffentlichkeit kontrovers diskutierte Antifragmentierungsinstrument (Transmission Protection Instrument, TPI) unterstrich die Französin, es gebe keinerlei Neuigkeiten. Das Instrument sei definiert und beschlossen – „wir stehen bereit, es bei Bedarf zu nutzen“.

Die Frage, ob die EZB ihren eingeschlagenen Kurs der Zinsstraffung abbrechen werde, falls die Euro-Wirtschaft in eine schwere Rezession abgleiten sollte, beantwortete La­garde mit dem Hinweis, dass der EZB-Rat natürlich schwerwiegende ma­kroökonomische Schocks bei seinen Zinsentscheidungen berücksichtige und auch künftig berücksichtigen werde. Die Zentralbank rechnet gegenwärtig im Hauptszenario mit einer Stagnation Ende 2022 und Anfang 2023 – nicht mit einer Rezession (siehe Bericht unten).

Lagarde legte Wert auf den Hinweis, dass die Zentralbank bei den aktuellen Zinssätzen nach wie vor im Bereich der akkommodierenden Geldpolitik sei – also die Geldpolitik noch locker genug sei, um die Wirtschaft zu unterstützen.

Banken für weitere Schritte

Zum Thema Wechselkurs wiederholte die EZB-Chefin das bekannte Selbstverständnis der Zentralbank, kein Wechselkursziel zu haben. Selbstverständlich nehme die Notenbank aber zur Kenntnis, dass der Euro gegenüber anderen Währungen und vor allem gegenüber dem Dollar in den vergangenen Monaten erheblich abgewertet habe.

Banken und Sparkassen begrüßten überwiegend den Zinsschritt um 75 Basispunkte. Zugleich nahmen sie die Entscheidung zum Anlass, auch bei den nächsten EZB-Ratssitzungen zusätzliche Schritte zu fordern. „Weitere Zinsanhebungen müssen folgen, damit die Menschen der EZB und ihrem Versprechen stabiler Preise auch weiter glauben können“, erklärte der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV), Helmut Schleweis. In die gleiche Richtung argumentierten die Kreditgenossen. Weitere Zinserhöhungen seien notwendig, um den Kaufkraftverlust zu stoppen, sagte die Präsidentin des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiff­eisenbanken (BVR), Marija Kolak.

Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) erinnerte an die von Lagarde eingeräumten Fehlprognosen und mahnte, dass die Europäische Zentralbank  nun durch einen straffen Kurs Glaubwürdigkeit zurückgewinnen müsse. Auch Banken-Volkswirte reihten sich in den Chor derjenigen ein, die nach dem 50-Basispunkte-Schritt im Sommer und dem 75-Basispunkte-Schritt für zusätzliche Zinserhöhungen in den nächsten Monaten warben. „Jetzt kommt es darauf an, dass sie ihre Leitzinsen in den kommenden Monaten trotz steigender Rezessionsrisiken auch tatsächlich weiter kräftig anhebt“, sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer.

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