EZB erhöht Tempo beim Bilanzabbau
Die Europäische Zentralbank (EZB) lässt ihre Zinssätze unverändert. Der für die Finanzmärkte maßgebliche Einlagensatz bleibt damit bei 4%, wie die EZB am Donnerstag in Frankfurt mitteilte. Der Hauptrefinanzierungssatz beläuft sich weiter auf 4,5%. Nach zehn Zinserhöhungen in Folge um insgesamt 450 Basispunkte legt die Notenbank seit Oktober eine Zinspause ein.
Eine weitere Zinserhöhung im laufenden Zyklus dürfte es ohne einen exogenen Preisschock nicht mehr geben. Stattdessen bewegt die Märkte die Frage, wann die EZB das erste Mal die Zinsen wieder senkt. An den Finanzmärkten ist inzwischen eine erste Lockerung für März 2024 eingepreist.
Nachlassender Preisdruck im Euroraum
Die Inflation im Euroraum lag im November bei 2,4%. Damit ist die EZB ihrem 2-Prozent-Inflationsziel derzeit so nah wie seit Sommer 2021 nicht mehr. Allerdings erwarten Ökonomen, dass die Teuerung wegen statistischen Basiseffekten und einer höheren Mehrwertsteuer ab 2024 für die Gastronomie in Deutschland, der größten Volkswirtschaft der Eurozone, etwas anziehen wird. Im Laufe des kommenden Jahres dürfte die Inflation dann jedoch wieder nachlassen.
Die EZB hat ihre Inflationsprognosen nach unten korrigiert. Für dieses Jahr rechnet sie nun mit 5,4% statt zuvor 5,6%. Im kommenden Jahre erwarten die EZB-Volkswirte 2,7% (zuvor 3,2%) und für 2025 unverändert 2,1%. Die Euro-Wirtschaft wächst nach der Prognose dieses Jahr um 0,6% und kommenden Jahr um 0,8%. Bei der vorangegangenen Projektion im September waren es 0,7% für 2023 und 1,0% für 2024 gewesen.
Schnellerer Bilanzabbau
Außerdem teilte die EZB am Donnerstag mit, dass sie das Tempo beim Bilanzabbau beschleunigen will. Sie beabsichtigt, die Reinvestitionen des Pandemie-Notfallanleihekaufprogramms PEPP ab der zweiten Jahreshälfte 2024 um durchschnittlich 7,5 Mrd. Euro monatlich zu verringern. Bislang hatte die Notenbank geplant, bis zum Jahresende die Tilgungsbeträge vollumfänglich wieder anzulegen. Zum Jahresende 2024 werden die PEPP-Reinvestitionen dann ganz eingestellt.
Einige EZB-Ratsmitglieder hatten im Vorfeld für ein früheres Ende plädiert, um den Abbau der EZB-Bilanz zu beschleunigen. Dies würde die Geldpolitik der EZB restriktiver gestalten. „Wenn ich auf unser primäres Mandat schaue, die Inflation auf 2,0% zu bringen, sehe ich absolut keinen Grund, die Reinvestitionen bei PEPP fortzusetzen – abgesehen von der Tatsache, dass wir das versprochen haben. Aber das allein ist kein gutes Argument“, sagte etwa Belgiens Notenbankchef Pierre Wunsch im Interview der Börsen-Zeitung.
Italien im Fokus
Die Kritiker eines früheren Auslaufens der PEPP-Reinvestitionen sorgten sich um mögliche Auswirkungen auf die Finanzmärkte. Im Rahmen des Anleihekaufprogramms erwirbt die EZB überproportional viele italienische Staatsanleihen. Dies verhindert, dass die Spreads, etwa zu deutschen Papieren, noch größer werden, als sie es bereits sind.
Zudem können höhere Spreads auch die effektive Transmission der Geldpolitik im gesamten Euroraum gefährden. Allerdings gibt es mit TPI (Transmission Protection Instrument) ein Instrument, das speziell dafür geschaffen wurde, um ungerechtfertigten und ungeordneten Marktentwicklungen entgegenzuwirken, sofern diese die Transmission der Geldpolitik behindern. Das 2022 von der EZB aufgelegte Programm kam bislang noch nie zum Einsatz.
Debatte um höhere Mindestreserve
Eine mögliche Erhöhung der Mindestreserve für Geschäftsbanken war wie angekündigt kein Thema auf der Zinssitzung. Mit der Forderung einer deutlichen Erhöhung der Mindestreserve, die die EZB inzwischen nicht mehr verzinst, hatte Österreichs Notenbankchef Robert Holzmann im Sommer eine öffentliche Debatte um die Mindestreserve in Gang gebracht.
Er spricht sich für eine Erhöhung aus, da dies die Überschussliquidität im Bankensektor reduzieren und die Effizienz der Geldpolitik verbessern würde. Auch andere Ratsmitlieder, wie etwa Bundesbankpräsident Joachim Nagel, liebäugeln mit der Idee. Er kann sich eine Erhöhung von derzeit 1 auf 2% vorstellen.
Mögliche Anpassung erst im Frühjahr ein Thema
Andere Ratsmitglieder wie EZB-Vizepräsident Luis de Guindos halten von einer Erhöhung hingegen nichts. „Die Geldpolitik sollte nicht von der Finanzlage der Banken oder den Gewinnen der Zentralbanken bestimmt werden“, sagte er. Die Banken lehnen eine höhere Mindestreserve naturgemäß ebenfalls ab. Sie sehen darin international einen Wettbewerbsnachteil.
Die Rolle der Mindestreserve wird erst bei der Überprüfung des EZB-Rahmenwerks im kommenden Frühjahr auf der Agenda stehen. „Bis dahin werden wir keine Entscheidungen fällen“, hatte EZB-Direktorin Isabel Schnabel bereits im Vorfeld der Zinssitzung klargestellt.