EZB-Granden sehen Geldpolitik in der Pflicht
ms Frankfurt
Die viel zu hohe Inflation im Euroraum wird sich nicht allein dadurch als Problem in Luft auflösen, dass die Euro-Wirtschaft deutlich an Schwung verliert oder sogar in eine Rezession fällt. Das haben nun unisono EZB-Präsidentin Christine Lagarde und Vize Luis de Guindos betont. Sie untermauern damit die Entschlossenheit der Europäischen Zentralbank (EZB) im Kampf gegen die Teuerung – trotz der Konjunkturschwäche und zunehmender Rezessionssorgen. Die Eskalation im Ukraine-Krieg dürfte die Lage für die EZB aber noch einmal deutlich erschweren.
Nachdem die EZB die Inflation lange unterschätzt und sogar kleingeredet hatte, hat sie inzwischen ihre Leitzinsen zweimal, um insgesamt 125 Basispunkte, angehoben und weitere Schritte avisiert. Im August hat die Teuerung ein Rekordhoch von 9,1 % erreicht und für die nächsten Monate sind sogar zweistellige Raten möglich. Zugleich nehmen aber die Sorgen vor einer Rezession im Euroraum vor allem infolge des Ukraine-Kriegs zu. Tempo und Ausmaß weiterer Zinserhöhungen sind deshalb im EZB-Rat umstritten.
Lagarde bekräftigte nun am Dienstagabend bei der Karl Otto Pöhl Lecture der Frankfurter Gesellschaft für Handel, Industrie und Wissenschaft, dass die EZB fest entschlossen sei, ihr Preisstabilitätsmandat zu erfüllen. „Wir werden nicht zulassen, dass sich die aktuelle Phase hoher Inflation im Verhalten der Wirtschaftsakteure niederschlägt und zu einem dauerhaften Inflationsproblem auswächst“, sagte die EZB-Chefin. Mit Blick auf das Zusammenspiel von Wachstum und Inflation sagte Lagarde, dass bei früheren Rezessionen in den Ländern des Euroraums die Gesamtinflation im Zeitraum seit den 1970er Jahren ein Jahr nach der Rezession um etwa 1,1 Prozentpunkte gesunken sei und die Kerninflation um etwa die Hälfte dieses Wertes. Sie betonte jedoch: „Diese Regel ist aber nicht in Stein gemeißelt. In einigen Rezessionsphasen, die zum Beispiel sich verschlechternden Angebotsbedingungen zuzuschreiben waren, blieb die Inflation gleich oder nahm sogar zu.“
Eskalation im Ukraine-Krieg
Ganz ähnlich und fast noch deutlicher äußerte sich EZB-Vize de Guindos: „Die Märkte glauben, dass ein Abschwung der Wirtschaft die Inflation von selbst verringern würde“, sagte er am Mittwoch auf einer Konferenz in Köln. „Das ist aber nicht richtig. Die Geldpolitik muss einen Beitrag leisten.“ Die Währungsunion könne über den Winter in eine Rezession abrutschen, sagte er.
De Guindos sagte zudem, dass die potenzielle Verlängerung des russischen Kriegs in der Ukraine das Risiko berge, dass die Teuerungsrate noch länger unangenehm hoch bleiben könnte. Mit der Teilmobilmachung Russlands am Mittwoch (siehe nebenstehenden Text) droht ein noch länger währender Krieg.
Die Deutsche Bank revidierte am Mittwoch ihre Prognosen für die Euro-Wirtschaft. Für das kommende Jahr schraubte sie ihre Wachstumserwartung von −0,3 % auf −2,2 % deutlich nach unten. Zugleich erwartet sie 2023 im Jahresdurchschnitt noch eine Inflationsrate von 6,2%.