ExklusivZinskompass

EZB muss bei Zinsentscheid im Nebel stochern

Am Donnerstag steht der nächste Zinsentscheid der EZB an. Während die Finanzmärkte auf eine Zinssenkung setzen, gehen die Ansichten der Notenbanker deutlich auseinander. Unklar ist zudem, wie sich der Zollkonflikt auf die Inflation auswirken wird.

EZB muss bei Zinsentscheid im Nebel stochern

EZB muss im Nebel stochern

Daten des Zinskompasses sprechen für Zinspause, konjunkturelle Abwärtsrisiken durch Zölle jedoch für Lockerung

Am Donnerstag steht der nächste Zinsentscheid der Europäischen Zentralbank an. Während die Finanzmärkte auf eine erneute Zinssenkung um 25 Basispunkte setzen, gehen die Ansichten der Notenbanker deutlich auseinander. Unklar ist zudem, wie sich der Zollkonflikt auf die Inflation auswirken wird.

mpi Frankfurt

Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass der Zinsentscheid der EZB am Donnerstag nicht einstimmig fallen wird. Zu unterschiedlich sind die Ansichten der Notenbanker, wie der mittelfristige Inflationsausblick ausfällt und ob die Geldpolitik noch restriktiv wirkt. Die Konjunktursäule des Deka-EZB-Zinskompasses, der vor jeder geldpolitischen Sitzung der Notenbank exklusiv in der Börsen-Zeitung erscheint, notiert trotz eines kontinuierlichen Anstiegs in den vergangenen Monaten nach wie vor im negativen Bereich. Der Zollkonflikt der USA mit der EU dürfte die Konjunktur in den kommenden Monaten zudem stark belasten.

„Für die nächsten makroökonomischen Projektionen, die bei der Ratssitzung am 5. Juni veröffentlicht werden, ist daher schon jetzt von erneuten Abwärtsrevisionen beim Wirtschaftswachstum auszugehen“, sagt Kristian Tödtmann, Leiter Geldpolitik und Kapitalmärkte bei der DekaBank. Sollte es dazu kommen, wäre es die fünfte Korrektur nach unten in Folge der EZB-Ökonomen.

Höhere Inflationssäule

Die wegen der Zölle schwächelnde Konjunktur ist für einige EZB-Ratsmitglieder ein Argument für eine erneute Zinssenkung um 25 Basispunkte. Andere befürchten hingegen eine höhere Inflation, sollte es im Zollkonflikt mit den USA keine Verhandlungslösung geben. Dann könnte die EU zu Gegenzöllen im größeren Umfang greifen. „Je mehr sich die globale Arbeitsteilung verschlechtert und der globale Wettbewerb eingeschränkt wird, desto eher kann der Preisauftrieb im Euroraum auch zunehmen“, meint Tödtmann.

„Wie sich die von den USA beschlossenen Zölle letztlich auf die Inflation im Euroraum niederschlagen werden, hängt derzeit noch von zahlreichen Unbekannten ab“, ergänzt er. Die Inflationssäule des Zinskompasses legt derweil leicht zu, was kein Argument für eine Zinssenkung in dieser Woche ist.

Tödtmann hält eine Zinssenkung dennoch aufgrund der Zusammensetzung des EZB-Rats für wahrscheinlich. „Ein Großteil der Ratsmitglieder dürfte mit der Überzeugung in diese Sitzung gehen, dass der derzeitige Einlagensatz von 2,5% noch nicht das Ende der Fahnenstange darstellt.“ Innerhalb des Rates gibt es Diskussionen darüber, ob die Geldpolitik noch restriktiv wirkt oder dies nicht mehr der Fall ist. Aufgrund der unterschiedlichen Ansichten diesbezüglich hatte die EZB bei ihrem Zinsentscheid im März ihre Kommunikation angepasst. Statt von restriktiv, sprach die Notenbank als Kompromiss von „spürbar weniger restriktiv“.

Banken straffen Kreditkonditionen

Die Finanzierungssäule des Zinskompasses deutet auf Finanzierungsbedingungen hin, die etwas günstiger sind als im langfristigen Durchschnitt. „Dies stärkte denjenigen Mitgliedern des EZB-Rats den Rücken, die der Ansicht sind, dass die Geldpolitik nicht mehr allzu weit von einer neutralen Ausrichtung entfernt ist“, sagt Tödtmann.

Der am Dienstag veröffentlichte Bank Lending Survey (BLS) der EZB lässt dagegen noch keine stark stimulierende Wirkung der bisherigen Leitzinssenkungen erkennen, zumindest nicht für den Unternehmenssektor. Eine knappe Mehrheit der befragten Banken gibt an, die Kreditkonditionen für Firmenkunden erneut gestrafft zu haben. Als wichtigsten Grund hierfür nennen sie weiterhin die Unsicherheit des wirtschaftlichen Umfelds.

Fehlende Signale

Die Finanzmärkte antizipieren aufgrund des globalen Zollkonflikts deutlichere Zinssenkungen der EZB in diesem Jahr. Insofern dürften die Anleger am Donnerstag stark darauf achten, ob EZB-Präsidentin Christine Lagarde diese Erwartungen bei ihrer Pressekonferenz eher bestätigt oder korrigiert. Tödtmann erwartet diesbezüglich aufgrund der hohen geopolitischen Unsicherheiten jedoch „keine eindeutigen Signale“.

Lagarde werde zwar zu verstehen geben, dass die EZB – wenn nötig – zu deutlicheren Zinssenkungen bereit ist. „Sie dürfte jedoch auch unterstreichen, dass Zeitpunkt und Ausmaß von zukünftigen Entwicklungen abhängen, die sich nur schwer vorhersehen lassen“, sagt Tödtmann.

Das DIW hat derweil mit künstlicher Intelligenz die EZB Kommunikation von Januar 2019 bis März 2025 analysiert. Bei 11 der vergangenen 14 Zinsentscheiden hat das KI-Modell den Ausgang korrekt vorhergesagt. Für die Sitzung am Donnerstag prognostiziert es mit hoher Wahrscheinlichkeit eine weitere Lockerung.

Für Tödtmann gibt es drei Unbekannte, mit denen die EZB umgehen muss. Die größte ist, welche politische Weichenstellungen unter anderem in Washington, Brüssel und Peking in den kommenden Wochen und Monaten getätigt werden. Zudem sei schwierig abzuschätzen, „inwieweit neben geringeren Exporten auch die Verunsicherung von Unternehmen und privaten Haushalten das Wirtschaftswachstum bremsen wird“. Zu guter Letzt bleibt aktuell unklar, welche inflationären Effekte mittelfristig die expansivere Fiskalpolitik im Euroraum haben wird. In diesem Umfeld der Unsicherheiten muss die EZB am Donnerstag entscheiden, ob sie den Leitzins weiter senkt oder nicht.

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