EZB-Ratsmitglied warnt vor Finanzkrise
EZB-Ratsmitglied warnt vor Finanzkrise
Villeroy de Galhau blickt skeptisch auf Pläne für Deregulierung in den USA – Inflation dürfte volatiler werden
mpi Frankfurt
Frankreichs Notenbankpräsident François Villeroy de Galhau ist besorgt angesichts der Erwägungen der neuen US-Regierung, weichere Kapitalvorschriften für den Finanzsektor zu beschließen. „Das Schlimmste, was passieren kann für die US-Wirtschaft, aber auch die globale Wirtschaft, wäre eine Finanzkrise in den USA“, sagte das EZB-Ratsmitglied auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos.
Entspannter blickt der Franzose hingegen auf mögliche Effekte von US-Zöllen auf die Preisentwicklung in der Eurozone. Er erwartet keinen größeren Inflationsdruck, sollte US-Präsident Donald Trump seine Drohungen wahr machen und Strafzölle gegenüber der EU und China verhängen. „Wir sind wachsam, aber auch zuversichtlich, was die Inflationsentwicklung betrifft“, sagte er bezogen auf den allgemeinen Ausblick.
Risikoaufschläge bei Zinsen
Dementsprechend sieht er einen großen Spielraum für weitere Zinssenkungen der EZB, dämpft jedoch die Erwartungen an die positiven Effekte auf die Konjunktur. „Es ist ein plausibles Szenario, dass der Leitzins in diesem Sommer bei 2% liegt“, sagte Villeroy de Galhau. Das wären Zinssenkungen um 100 Basispunkte, da der Einlagensatz derzeit bei 3% liegt. Eine Lockerung um 25 Basispunkte beim Zinsentscheid der EZB in der kommenden Woche gilt als sehr wahrscheinlich.
Allerdings könnten die geopolitischen Unsicherheiten laut Villeroy de Galhau zunehmen und bei Banken zu Risikoaufschlägen bei den Kreditzinsen führen. Dies würde die positiven Effekte der EZB-Zinssenkungen auf die Euro-Konjunktur dämpfen.
Zinssenkungen in Folge
Auch andere EZB-Ratsmitglieder haben jüngst mehrere Zinssenkungen der Zentralbank in diesem Jahr in Aussicht gestellt. Der slowakische Notenbankchef Peter Kažimír hält drei bis vier Zinssenkungen am Stück für möglich, aber nicht für garantiert. Sein niederländischer Amtskollege Klaas Knot, der als Vertreter eines eher restriktiven geldpolitischen Kurses gilt, fühlt sich „ziemlich wohl“ mit den Markterwartungen an zwei Zinssenkungen in Folge.
Wie unter anderem aus dem Protokoll der Zinssitzung im Dezember hervorgeht, gibt es Notenbanker, die sich eine Zinssenkung der EZB um 50 Basispunkte vorstellen können. Ein solcher Schritt beim kommenden Entscheid am 30. Januar ist jedoch unwahrscheinlich. „Wir sehen uns nicht hinter der Kurve“, sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde in einem Interview mit CNBC in Davos. „Wir befinden uns auf einem regelmäßigen, schrittweisen Weg“.
Inflation dürfte volatiler werden
Beim Weltwirtschaftsforum ging es am Mittwoch auch um die längerfristige Entwicklung der Inflation. Isabella M. Weber, Professorin für Volkswirtschaftslehre an der University of Massachusetts Amherst, warnte vor einer Zunahme an Angebotsschocks. Dies könnte zu einer höheren Inflation führen.
Als Beispiele für solche Schocks nannte Weber Zölle und zunehmende Handelshemmnisse sowie mögliche Lieferkettenstörungen durch den Klimawandel.
Kontraproduktive Geldpolitik
Auch Villeroy de Galhau erwartet, dass es häufiger zu einem Angebotsschock kommen werde. Es sei jedoch unklar, wie die Effekte auf die Inflation aussehen werden. So seien auch preisdämpfende Effekte denkbar. Etwa dadurch, dass die KI zu einem Produktivitätssprung und einer entsprechenden Ausweitung des Angebots mancher Güter und Dienstleistungen führt. Eines ist für den Franzosen jedoch bereits recht vorhersehbar: „Die Inflation wird volatiler werden.“
Das EZB-Ratsmitglied führte zudem an, dass einer Notenbank bei einem Angebotsschock teilweise die Hände gebunden seien, da sich das Angebot mitunter über Zinsänderungen nicht in die gewünschte Richtung beeinflussen lasse. Dem pflichtete Weber bei. So könnte eine Zinserhöhung bei einer zu hohen Inflation wegen eines negativen Angebotsschocks dazu führen, dass das Angebot noch niedriger ausfällt – was die Inflation verstärkt.