Geldpolitik

EZB steht vor heißem Herbst

Der EZB-Rat will im Dezember eine Grundsatzentscheidung über die Zukunft des Corona-Notfallanleihekaufprogramms PEPP und die künftige Geldpolitik fällen. Da zeichnen sich heftige Kontroversen ab.

EZB steht vor heißem Herbst

ms Frankfurt

Die Europäische Zentralbank (EZB) steht vor einem heißen Herbst und Winter. EZB-Präsidentin Christine Lagarde kündigte am Donnerstag nach der Zinssitzung des EZB-Rats und nach der Entscheidung zur Drosselung der PEPP-Anleihekäufe im vierten Quartal für das Treffen im Dezember eine grundsätzliche Entscheidung über das 1,85 Bill. Euro umfassende Corona-Notfallanleihekaufprogramm an. Jüngste Wortmeldungen von Euro-Notenbankern deuten dabei an, dass die Meinungen da noch gehörig auseinandergehen – und die Diskussion entsprechend hitzig werden dürfte.

Im Kampf gegen die Corona-Pandemie und die Jahrhundertrezession hatte auch die EZB zu beispiellosen Maßnahmen gegriffen. Herzstück ist das im März 2020 aufgelegte Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP), das nach zwei Aufstockungen und Verlängerungen aktuell bis mindestens März 2022 laufen soll. Angesichts der deutlichen Erholung der Euro-Wirtschaft im Frühjahr und Sommer sowie des starken Inflationsanstiegs seit Jahresbeginn hat aber eine Diskussion eingesetzt, inwieweit dieses noch angemessen ist. In den USA steuert die Notenbank Fed derzeit auf ein Herunterfahren ihrer billionenschweren Anleihekäufe zu („Tapering“).

Die Hardliner („Falken“) im EZB-Rat dringen ob der verbesserten Lage darauf, zumindest PEPP so schnell wie möglich zu beenden, sobald die Krise das erlaubt. Bundesbankpräsident Jens Weidmann etwa betont immer wieder, das erste P bei PEPP stehe „für pandemisch und nicht für permanent“. Dagegen mahnen die „Tauben“ zur Vorsicht. Sie betonen insbesondere die Unsicherheit über die Pandemieentwicklung und die Erwartung, dass die Inflation nur temporär anziehe (siehe auch Bericht unten auf dieser Seite).

Am Donnerstag nun entschieden die Euro-Hüter einhellig, das Kauftempo bei PEPP im vierten Quartal leicht zu drosseln. Im März hatte der Rat das Tempo vorübergehend er­höht als Reaktion auf die seinerzeit steigenden Euro-Anleiherenditen. Im zweiten und dritten Quartal lag das Kaufvolumen bei rund 80 Mrd. Euro im Monat – nach 60 Mrd. Euro zu Jahresbeginn. Das Volumen werde nun „moderat reduziert“, stellte der Rat in Aussicht. Was das genau heißt, ließ er offen. Das werde „flexibel“ entschieden mit der Maßgabe, weiter für günstige Finanzierungsbedingungen zu sorgen. Reuters berichtete, die interne Marschroute laute 60 bis 70 Mrd. Euro.

Lagarde begründete den Schritt mit der deutlichen Erholung der Euro-Wirtschaft und des Arbeitsmarkts und der jüngsten Inflationsentwicklung. Zugleich sagte Lagarde aber, dass die Pandemie nach wie vor für viel Unsicherheit sorge: „Wir sind noch nicht ganz über den Berg.“ Die Drosselung des Kauftempos sei auch kein Tapering à la Fed. „Die Dame macht kein Tapering“, sagte sie in Anspielung auf einen berühmten Spruch der ehemaligen britischen Premierministerin Margaret Thatcher. Es handle sich vielmehr um eine „Rekalibrierung“ von PEPP.

Laut aktuellen Umfragen erwartet eine Mehrheit der Volkswirte und Marktteilnehmer derzeit, dass der EZB-Rat PEPP im März 2022 auslaufen lässt. Zugleich ist die verbreitete Erwartung, dass dann das parallele und aktuell unbefristete Anleihekaufprogramm APP (Asset Purchase Programme) aufgestockt wird. Derzeit kauft das Eurosystem im Zuge des APP monatlich Wertpapiere im Wert von rund 20 Mrd. Euro.

Lagarde wollte sich am Donnerstag zu solchen Spekulationen nicht äußern und verwies nur auf den Dezember. Zugleich sagte sie aber, dass selbst bei einem Ende von PEPP die Arbeit der EZB mit Blick auf das 2-Prozent-Ziel „nicht erledigt“ sei.

Bei einer Aufstockung von APP gilt es aber vielen als Problem, dass die Flexibilität beim Kauf der Wertpapiere geringer ist. So gilt etwa eine Kaufobergrenze von 33% je Anleihe und Emittent. Diese kritische Grenze könnte bei vielen Euro-Staaten bald erreicht sein (siehe Grafik). Zudem richten sich die APP-Käufe noch stärker nach dem EZB-Kapitalschlüssel. In Notenbankkreisen wird deshalb diskutiert, zumindest Teile der PEPP-Flexibilität auf eine Art „APP 2.0“ zu übertragen. Das ist unter den Notenbankern aber sehr umstritten.

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