EZB steht vor hitzigen Diskussionen
ms Frankfurt
Der EZB-Rat steuert bei seiner Sitzung in der kommenden Woche auf eine äußerst lebhafte Diskussion über den künftigen Kurs und insbesondere das Corona-Notfallanleihekaufprogramm PEPP zu. Einige Hardliner („Falken“) im EZB-Rat plädierten am Dienstag für ein rasches Ende des Krisenmodus der Notenbank – auch angesichts eines unerwartet starken Sprungs der Euro-Inflation im August auf 3,0%. Dagegen hatten die „Tauben“ und Notenbanker, die eher in der Mitte zwischen beiden Lagern stehen, unlängst erst zur Vorsicht gemahnt und teilweise sogar mit einer Ausweitung des Stimulus geliebäugelt.
Holzmann prescht voran
Im Kampf gegen die Corona-Pandemie und die Jahrhundertrezession hatte auch die Europäische Zentralbank (EZB) zu beispiellosen Maßnahmen gegriffen. Herzstück ist das im März 2020 aufgelegte Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP), das nach zwei Aufstockungen und Verlängerungen aktuell ein Volumen von 1,85 Bill. Euro hat und bis mindestens März 2022 laufen soll. Angesichts der deutlichen Erholung der Euro-Wirtschaft im Frühjahr und Sommer sowie des starken Inflationsanstiegs seit Jahresbeginn hat aber eine Diskussion eingesetzt, inwieweit das noch angemessen ist. In den USA steuert die Notenbank Fed derzeit auf ein Herunterfahren ihrer billionenschweren Anleihekäufe zu („Tapering“).
Die „Falken“ im EZB-Rat dringen darauf, zumindest PEPP so schnell wie möglich zu beenden, sobald die Krise das erlaubt. Österreichs Notenbankchef Robert Holzmann forderte am Dienstag eine Debatte über die Wertpapierkäufe. Die Wirtschaft des Euroraums erhole sich in etwa erwartungsgemäß von der Coronakrise, sagte er zu Bloomberg. „Wir sind jetzt in einer Situation, in der wir darüber nachdenken können, wie wir die Pandemie-Sonderprogramme reduzieren können“, so Holzmann.
Ganz ähnlich äußerte sich auch der niederländische Zentralbankchef Klaas Knot. Die Inflationsaussichten hätten sich womöglich deutlich genug verbessert, um eine sofortige Verlangsamung des EZB-Stimulus und ein Ende von PEPP im März zu rechtfertigen, sagte Knot zu Bloomberg. „Ich würde eine Entscheidung erwarten, die mit der Beendigung des Anleihekaufprogramms im März nicht unvereinbar ist“, sagte er mit Blick auf die EZB-Ratssitzung nächste Woche: „Das würde eine Verringerung des Ankaufstempos bedeuten.“
Der EZB-Rat hatte im März eine temporäre Erhöhung des PEPP-Kauftempos beschlossen und damit auf den damaligen starken Anstieg der Euro-Anleiherenditen reagiert. Das Hauptziel der EZB ist derzeit die Sicherung sehr günstiger Finanzierungsbedingungen für die Euro-Wirtschaft. Eine Rückführung des erhöhten Kauftempos wäre nun ein erster nötiger Schritt, falls PEPP im März 2022 auslaufen soll.
Knot reagierte mit seinen Aussagen auch auf die am Dienstag veröffentlichten neuen Inflationsdaten. Laut erster Schätzung von Eurostat hat die Inflation im August einen kräftigen Sprung von zuvor 2,2% auf 3,0% gemacht. Beobachter hatten im Mittel mit 2,6% bis 2,7% gerechnet. Die 3,0% bedeuten den höchsten Stand seit November 2011.
Verantwortlich dafür sind zwar vor allem Basis- und Sondereffekte im Zusammenhang mit der Coronakrise. Allerdings nimmt beispielsweise auch der Preisdruck auf den den Verbraucherpreisen vorgelagerten Stufen immer mehr zu.
Auch die Kerninflation ohne Energie und Lebensmittel zog im August deutlich an. Sie erhöhte sich von 0,7% auf 1,6%. Die Kerninflation gilt vielen Ökonomen als zuverlässigere Messgröße für die Teuerung, da sie in der Regel weniger stark schwankt. Der starke Anstieg im August hat aber auch mit Sondereffekten zu tun, konkret einer Verzerrung durch den verspäteten Sommerschlussverkauf in Frankreich und Italien. Insgesamt gilt der zugrundeliegende Preisdruck im Euroraum weiter als schwach.
EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel hatte denn auch erst vor wenigen Tagen die Position der EZB untermauert, dass der aktuelle Inflationsanstieg primär temporär sei. „So überraschend das für manchen klingen mag: Wir sorgen uns eher darum, dass die Inflationsrate auf mittlere Sicht zu niedrig ausfällt statt zu hoch“, sagte sie. In ihren Juni-Projektionen hat die EZB für 2023 im Schnitt eine Inflation von nur 1,4% vorausgesagt. Das liegt deutlich unterhalb des EZB-Ziels von 2%. Auch EZB-Chefvolkswirt Philip Lane hatte sich unlängst gegen Inflationsängste gestemmt und Erwartungen gedämpft, dass es im September zu wichtigen Entscheidungen kommt.
Umso bemerkenswerter ist die Wortmeldung von Frankreichs Notenbankchef François Villeroy de Galhau von Montag. Die Euro-Hüter müssten die günstigeren Finanzierungsbedingungen in der Region berücksichtigen, wenn sie nächste Woche über das Tempo der Anleihekäufe entschieden, sagte er. Das wurde verbreitet als Signal für eine mögliche Verlangsamung des Kauftempos betrachtet. Villeroy de Galhau gilt eher als „Taube“ im Rat.
Weber warnt vor Gefahren
Ex-Bundesbankchef Axel Weber warnte am Dienstag vor anhaltenden Inflationsgefahren. „Ich glaube nicht, dass die jetzigen Inflationsraten so vorübergehend sein werden, wie Notenbanken jetzt glauben“, sagte der UBS-Verwaltungsratschef in Berlin. Das Problem werde sich nicht von selbst erledigen. Vielmehr werde ein aktives Gegensteuern der Geldpolitik zu irgendeinem Zeitpunkt nötig sein.