Geldpolitik

EZB-Zinsdebatte nimmt Fahrt auf

Im Kampf gegen die rekordhohe Inflation hat die EZB vergangene Woche die bisher größte Zinsanhebung seit Einführung des Euro beschlossen. Aber wie geht es jetzt weiter? Notenbanker geben erste wegweisende Signale.

EZB-Zinsdebatte nimmt Fahrt auf

ms Frankfurt

Die Debatte über den weiteren Zinskurs der EZB nach der jüngsten Rekord-Zinserhöhung nimmt weiter Fahrt auf. Gleich mehrere Euro-Notenbanker untermauerten jetzt die Bereitschaft für weitere Anhebungen – trotz der Konjunkturrisiken. Den Umfang weiterer Zinserhöhungen und das angestrebte Zielniveau ließen sie aber vielfach offen. Das einflussreiche EZB-Ratsmitglied François Villeroy de Galhau signalisierte indes, dass der Einlagenzins von aktuell 0,75% bis Jahresende auf nahe 2% steigen könnte – womit er laut Villeroy de Galhau etwa auf neutralem Niveau läge.

Im Kampf gegen die rekordhohe Inflation hatte die Europäische Zentralbank (EZB) vergangenen Donnerstag die bisher größte Zinsanhebung seit Einführung des Euro beschlossen. Die Notenbanker um EZB-Chefin Christine Lagarde hoben ihre Leitzinsen um 0,75 Prozentpunkte an. Der Hauptrefinanzierungssatz liegt nun bei 1,25%, der aktuell fast noch wichtigere Einlagenzins bei 0,75%. Zugleich stellten sie weitere Anhebungen in Aussicht. Die Meinungen, wie stark die Zinsen noch steigen müssen, sind aber teils umstritten. Hintergrund ist die wachsende Sorge vor einer Rezession.

Villeroy de Galhau sagte nun am Mittwochabend in einer Rede beim Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington, die EZB müsse „entschlossen und geordnet“ vorgehen, um zunächst den sogenannten neutralen Zinssatz zu erreichen – ein oft mit „r*“ bezeichnetes theoretisches Niveau, das die Wirtschaft weder stimuliert noch bremst. Es sei noch zu früh, um das endgültige Zinsziel im Zyklus zu bestimmen, sagte der französische Zentralbankchef.

„In der Eurozone kann r* auf unter oder nahe 2% nominal geschätzt werden, und wir könnten dieses Ziel bis Ende des Jahres erreichen“, sagte Villeroy. „Dies ist eine Normalisierung, erst jenseits von r* würde eine Straffung beginnen, falls erforderlich.“ Ein Sprecher von Villeroy de Galhau erklärte auf Nachfrage, dass sich der Notenbanker dabei auf den Einlagenzins bezogen habe. Das hieße also einen weiteren Zinsanstieg um bis zu 125 Basispunkte bei den letzten beiden Zinssitzungen dieses Jahres, im Oktober und Dezember. Villeroy de Galhau signalisiert häufig einen möglichen Konsens im EZB-Rat, weswegen seine Aussagen stets viel Aufmerksamkeit erhalten.

Am Donnerstag sagte EZB-Vize Luis de Guindos, dass die Notenbank im Kampf gegen die hartnäckige Inflation energisch vorgehen müsse. Die Teuerung hat im August einen Rekordwert von 9,1% erreicht; die EZB strebt mittelfristig 2% an. Entschlossenes Handeln sei unerlässlich, um die Inflationserwartungen in der Spur zu halten, sagte de Guindos auf einer Finanzkonferenz in Lissabon. „Die Geldpolitik muss sich auf Preisstabilität und auf das mittelfristige Erreichen unseres Inflationsziels konzentrieren“, führte er aus.

Auch Österreichs Zentralbankchef Robert Holzmann bekräftigte angesichts der Inflationsrisiken die Forderung nach einer weiteren Straffung. „Die Teuerung wird wahrscheinlich noch ansteigen”, sagte Holzmann am Mittwochabend im ORF-Interview. Die EZB habe zuletzt „stark reagiert“ und werde „auch in Zukunft weiter reagieren“. Auf die Frage, ob Inflationsraten von 3% bis 4% in den nächsten fünf Jahren möglich seien, sagte der Notenbanker: „Das ist durchaus eine Möglichkeit.“ Zu­gleich fügte er aber hinzu: „Das ist nicht unser Ziel, wir wollen die Inflation schneller herunterbringen.”

Lane beschwichtigt

Ebenfalls am Mittwoch hatte EZB-Chefvolkswirt Philip Lane signalisiert, dass künftige Zinsschritte kleiner ausfallen könnten als der letzte – auch wenn dieser jetzt erforderlich gewesen sei, um die Abkehr von der sehr akkommodierenden Geldpolitik zu beschleunigen. „Der angemessene Umfang einer einzelnen Anhebung wird umso größer sein, je größer der Abstand zur Terminal Rate ist und je größer die Risiken für das Inflationsziel sind.“ Als „Terminal Rate“ wird die Endrate im Zinszyklus einer Zentralbank bezeichnet.

Bislang scheut die EZB jede Festlegung zum möglichen Höchststand (vgl. BZ vom 15. September). Der zyprische Notenbankchef Constantinos Herodotou erklärte am Mittwoch, das endgültige Zinsniveau sei keine ausgemachte Sache. An den Märkten wird aktuell von einem Höchststand des EZB-Zinses von 2,5% ausgegangen, der im ersten Quartal 2023 erreicht werden könnte. Das Ifo-Institut prognostiziert indes, dass der Zins auf 4,0% steigt.

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