Fast ein Viertel mehr Insolvenzen
Erneut mehr Insolvenzen
Anstieg um fast ein Viertel – Deutlich höhere Forderungen
Die schwächelnde Konjunktur und hohe Zinsen haben auch zum Jahresende 2023 mehr Unternehmen in die Insolvenz geschickt. Experten erwarten, dass sich dieser Trend in den kommenden Monaten fortsetzt, sprechen aber weiter von einer Normalisierung des Insolvenzgeschehens.
ba Frankfurt
Zum Jahresende 2023 hat die maue Konjunktur die Zahl der Insolvenzen erneut steigen lassen. In den ersten zehn Monaten des Jahres ist die Fallzahl um fast ein Viertel gestiegen. Insgesamt liegt das Insolvenzgeschehen weiter unter dem Niveau vor Ausbruch der Corona-Pandemie. Experten erwarten zwar, dass sich dieser Trend fortsetzen wird, doch die lange befürchtete Pleitewelle dürfte ausbleiben.
Destatis: Dynamik lässt nach
Im Dezember stieg die Zahl der beantragten Regelinsolvenzen um 12,3% zum Vorjahr, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilte. "Seit Juni 2023 sind damit durchgängig zweistellige Zuwachsraten im Vorjahresvergleich zu beobachten", erklärten die Wiesbadener Statistiker. Allerdings hat sich die Wachstumsdynamik verlangsamt: Im November hatten die Statistiker noch einen Anstieg um 18,8% gemeldet, im Oktober waren es 22,4%, nach 19,5% im September und 13,8% im August. Allerdings, so betonen die Destatis-Experten, werden die Verfahren erst nach der ersten Entscheidung des Insolvenzgerichts in der Statistik berücksichtigt. Der tatsächliche Zeitpunkt des Insolvenzantrags liegt in vielen Fällen annähernd drei Monate davor.
Forderungen verdoppelt
Die Amtsgerichte verzeichneten im Oktober einen Anstieg der beantragten Unternehmensinsolvenzen um 19,0% auf 1.481. Von Januar bis Oktober legte die Fallzahl um 24,1% auf 14.751 zu. In den ersten zehn Monaten 2022 lag die Zahl Destatis zufolge mit 1,3% allerdings nur leicht über dem niedrigen Niveau des von Corona-Sonderregelungen geprägten Vergleichszeitraums des Jahres 2021. Im Vergleich zu demselben Zeitraum im Vor-Corona-Jahr 2019 jedoch ist die Zahl der Unternehmensinsolvenzen 2023 um 7,7% geringer. Die Forderungen der Gläubiger aus den im Oktober 2023 gemeldeten Unternehmensinsolvenzen allerdings verdoppelten sich auf knapp 1,6 Mrd. Euro – im Vorjahr waren es rund 0,8 Mrd. Euro. Die Verbraucherinsolvenzen wiederum legten in den Monaten Januar bis Oktober um 1,3% auf 55.649 Fälle zu. Für Oktober verzeichnet Destatis bei den Verbraucherinsolvenzen ein Plus binnen Jahresfrist um 11,7% auf 5.631.
Normalisierung statt Pleitewelle
Unter den Wirtschaftszweigen gab es mit 8,1 Fällen je 10.000 Unternehmen im Bereich Verkehr und Lagerei erneut die meisten Insolvenzen. An zweiter Stelle kamen die sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen mit 6,7 Fällen, zu denen etwa auch Zeitarbeitsfirmen zählen. Insgesamt gab es im Oktober 4,4 Insolvenzen bezogen auf 10.000 Unternehmen.
Vor allem Unternehmen mit einem bereits geschwächten Geschäftsmodell oder Branchen mit strukturellen Problemen wie etwa Krankenhäuser oder die Immobilienbranche seien betroffen, heißt es beim Berufsverband der Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands (VID). „Unternehmen können nicht auf Dauer langfristigen Trends der strukturellen Veränderung trotzen", sagte VID-Vorsitzender Christoph Niering. "Die staatlichen Interventionen wie die Coronahilfen oder die Pandemiegesetzgebung haben die Auswirkungen nur aufgeschoben." Er erwartet ein weiter erhöhtes Insolvenzniveau, "das aber nicht mehr die Spitzenwerte der Nullerjahre erreicht“.
Das Insolvenzniveau sei derzeit wie im Dezember 2017 – "einem Zeitraum vor der Corona-Pandemie, in dem die deutsche Wirtschaft gut aufgestellt war“. Bei den aktuellen Insolvenzen sei immer noch vorrangig ein Nachholeffekt zu beobachten. Ein ähnliches Bild ergab auch der IWH-Insolvenztrend: "Für die kommenden Monate erwarten wir weiter steigende Zahlen", kommentierte Steffen Müller vom Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH). Die Pleitezahl sei seit den historischen Höchstständen vor etwa 20 Jahren stark zurückgegangen. Selbst bei einem weiteren moderaten Anstieg im neuen Jahr läge das Insolvenzgeschehen aber noch immer im normalen Bereich.
DIHK-Mittelstandsexperte Marc Evers verwies darauf, dass nicht nur eine schwache Konjunktur, "sondern auch handfeste strukturelle Probleme wie beispielsweise hohe Energiekosten, gestiegene Zinsen und Fachkräftemangel mehr und mehr Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten" brächten. In einer Standortumfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) hätten Industrieunternehmen ihre Finanzierungsmöglichkeiten deutlich schlechter als noch vor drei Jahren bewertet – ebenso wie weitere Standortfaktoren wie die große Bürokratie oder Komplexität des Steuerrechts. "Unternehmerisch tätig zu sein, wird nach Empfinden der Unternehmerinnen und Unternehmer mithin immer schwieriger“, betonte Evers.