Fed-Chef Powell heizt Zins-Spekulationen an
det/ms Washington/Frankfurt
Angesichts der „viel zu hohen Inflation“ hat US-Notenbankchef Jerome Powell eine weitere Verschärfung der Geldpolitik angedeutet. Denkbar sei, dass die Fed bei einer oder mehreren Sitzungen den Leitzins „um mehr als 25 Basispunkte anhebt“, sagte Powell vor der National Association for Business Economics (NABE). Er betonte, dass „wir die notwendigen Schritte unternehmen werden, um Preisstabilität wiederherzustellen“. Dies könne auch bedeuten, dass die Währungshüter den Leitzins so weit hochschrauben müssen, dass dieser oberhalb des neutralen Zinssatzes liegt, so Powell.
Powells Äußerungen kommen wenige Tage nachdem die Fed erstmals seit 2018 den Leitzins erhöht und sechs weitere Zinserhöhungen für 2022 in Aussicht gestellt hat. Damit heizt er die Debatte über das Tempo der Zinserhöhungen an.
Trotz der unerwartet hohen Inflation rechnet Powell binnen drei Jahren mit einem Rückgang der Teuerungsrate auf etwa 2%. Etwas zurückhaltender als Powell äußerte sich Raphael Bostic, Präsident der Federal Reserve Bank von Atlanta. Er rechnet mit fünf weiteren Zinserhöhungen bis Ende 2022 und äußerte sich wegen der Unsicherheit infolge des Kriegs skeptisch, dass ein extrem aggressiver Kurs nun angemessen ist.
EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat die Europäische Zentralbank (EZB) einmal mehr strikt abgegrenzt von der Fed und deren avisierter aggressiver geldpolitischer Straffung. Zur Begründung verwies Lagarde vor allem darauf, dass sich die beiden Volkswirtschaften in unterschiedlichen Phasen des Konjunkturzyklus befänden und unterschiedlich vom Ukraine-Krieg betroffen seien. An den Finanzmärkten nehmen die Wetten auf EZB-Zinserhöhungen noch in diesem Jahr aber wieder zu. Das hat auch mit dem anhaltenden Inflationsdruck zu tun.
Die EZB hatte vor eineinhalb Wochen zwar überraschend ihren Ausstieg aus den billionenschweren Anleihekäufe beschleunigt. Wegen des Kriegs hatten Beobachter damit gerechnet, dass die EZB noch abwarten würde. Zugleich hatte sie aber ihren Zinsausblick (Forward Guidance) so verändert, dass nach einem möglichen Ende der Nettoanleihekäufe im dritten Quartal nicht rasch eine Zinserhöhung kommen muss.
„Unsere Geldpolitiken werden nicht in dem exakt gleichen Rhythmus laufen“, sagte Lagarde nun bei einer Veranstaltung in Paris. Die beiden Volkswirtschaften hätten sich bereits vor dem Krieg an unterschiedlichen Stellen im Zyklus befunden. Nun sei aus geografischen Gründen Europa dem Krieg „viel stärker ausgesetzt“ als die USA, so Lagarde. Die US-Wirtschaft sei weniger abhängig als die europäische von Rohstoffimporten. Außerdem werde sie beim Handel geringer betroffen sein.
Bundesbankchef Nagel warnt
Zinsswaps zufolge rechnen die Geldmärkte jetzt mit zwei Anhebungen der EZB um je 25 Basispunkte bis Jahresende, während sie zu Beginn des Monats noch mit weniger als einer Anhebung gerechnet hatten. Der Leitzins der EZB liegt bei –0,5% und ist seit 2014 negativ. Mit den zwei eingepreisten Zinsschritten läge der Satz wieder bei null.
EZB-Ratsmitglied Klaas Knot hatte vergangene Woche gesagt, dass eine Zinserhöhung im vierten Quartal weiter eine realistische Erwartung sei. Auch zwei Anhebungen seien 2022 nicht auszuschließen, so Knot. Bundesbankpräsident Joachim Nagel warnte am Montag davor, den Ausstieg aus der sehr lockereren Geldpolitik wegen des Kriegs zu „verschleppen“. „Für mich ist ganz klar: Wenn es der Preisausblick erfordert, müssen wir die Geldpolitik weiter normalisieren und auch beginnen, unsere Leitzinsen anzuheben“, sagte er bei einer Rede in Hannover. Die hohe Inflation dürfe sich nicht verfestigen. Im Februar hatte die Teuerung das Rekordniveau von 5,9% erreicht.