Finanzminister debattieren Gegenlenken bei Energiepreisen
ahe Luxemburg
Die Debatte um die steigenden Energiepreise erhält auf europäischer Ebene ein immer größeres Gewicht. Am Montag befassten sich erstmals die Finanzminister der Euro-Staaten mit dem Problem – und dies nicht nur mit Blick auf die weitere Inflationsentwicklung. „Aus wirtschaftlicher Sicht haben höhere Energiepreise das Potenzial, die Erholung zu verlangsamen“, hieß es bereits in einem Vorbereitungspapier der Eurogruppe. Zudem sind die Annahmen zu den künftigen Strom- und Gaspreisen ein wichtiger Beitrag zur Erstellung von Haushaltsplänen.
Uneins waren die Finanzminister noch, ob die jüngsten Preiserhöhungen – insbesondere beim Gas – nur als temporär anzusehen und noch dem Auslaufen der Coronakrise geschuldet sind. In ihrem Diskussionspapier warnte die Eurogruppe, dass ein dauerhafter Preisanstieg größere Auswirkungen auf Wachstum und Inflation haben werde, da ein solcher auf Lieferketten, Gewinnmargen und die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung auf die Verbraucherpreise wirke.
Mehrere Finanzminister, aber auch EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni forderten daher ein Umsteuern. Maßnahmen seien nötig, insbesondere für die ärmeren Haushalte, sagte Gentiloni, warnte aber zugleich auch davor, die Ziele des Green Deal und den eingeschlagenen Weg der Dekarbonisierung der Wirtschaft zu unterminieren. „Wir sollten reagieren, aber nicht überreagieren.“ Die Eurogruppe verwies darauf, dass die Entwicklung der Energiepreise sich auch auf die langfristige Wirtschaftlichkeit von Investitionen in erneuerbare Energien auswirke.
Paris fordert mehr Atomkraft
Konkrete Vorstellungen legten bei dem Eurogruppen-Treffen insbesondere Frankreich und Spanien auf den Tisch, die das Thema verstärkt umtreibt. Die spanische Wirtschaftsministerin Nadia Calviño sprach in Luxemburg von einer ernsten Angelegenheit. „Wir brauchen eine koordinierte europäische Antwort.“ Es gehe um die Entwicklungen auf den internationalen Energiemärkten – da könne man nicht national gegensteuern. Zudem müsse in der EU der grüne Wandel so fair wie möglich gestaltet werden, so Calviño. Spanien regte unter anderem die Einrichtung einer strategischen Energiereserve an sowie regulatorische Eingriffe in die Märkte wie etwa eine Begrenzung der Spekulationsmöglichkeiten mit CO2.
Frankreichs Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire wiederum forderte insbesondere eine bessere Regulierung der Gasmärkte und -börsen sowie eine Entkoppelung der Strom- und Gaspreise, die in der aktuellen Form nicht akzeptabel seien. Le Maire sieht die Antwort in dem Energieproblem insbesondere im Ausbau der Atomkraft in Europa. „Wir müssen mehr in Atomkraft investieren“, betonte er. Damit werde Europa auch unabhängiger von Energielieferungen. Le Maire verwies darauf, dass die Nachfrage nicht nur nach Strom in den nächsten Jahren auch im Zuge des Green Deal immer weiter steigen werde. Der Energiepreisanstieg sei damit auch nicht temporär, sondern werde die EU über Jahre begleiten.
Eurogruppen-Chef Paschal Donohoe zeigte sich im Vorfeld des Treffens skeptisch, ob die Debatte über den richtigen Energiemix in der Runde der Finanzminister richtig aufgehoben sei. Von deutscher Seite kam am Montag in der Eurogruppe – zumindest öffentlich – kein Beitrag zur Debatte. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) war nicht nach Luxemburg gereist.
Am Mittwoch debattiert nun auch das EU-Parlament die Gaspreiskrise. Nach Einschätzung von Jens Geier, Chef der SPD-Abgeordneten, kann das steigende Risiko der Energiearmut insbesondere in EU-Mitgliedstaaten mit geringen Pro-Kopf-Einkommen zu einem flächendeckenden Problem werden. „Energiearmut ist das Problem der Stunde“, meint auch Martin Schirdewan, Co-Chef der Linken. Dies liege auch an den Finanzspekulationen beim Emissionshandel. Schirdewan forderte als Sofortmaßnahme einen Energiepreisdeckel sowie eine Mehrwertsteuerbefreiung bei Strom und Gas.