Firmenpleiten auf Zehnjahreshoch
Firmenpleiten auf Zehnjahreshoch
1.787 Unternehmensinsolvenzen im November − Deutlich höhere Forderungen − Weiterer Anstieg erwartet
ba Frankfurt
Zu Jahresanfang hat sich das Insolvenzgeschehen in Deutschland erneut beschleunigt. Frühindikatoren lassen für die kommenden Monate ähnliche hohe Fallzahlen wie um den Jahreswechsel herum erwarten. Und im November gab es so viel Firmenpleiten wie seit zehn Jahren nicht. Ein Argument mehr für die zunehmenden Jobsorgen der Verbraucher, die das Konsumklima am Boden halten.
Weiter zweistellige Zuwachsraten
Dem Statistischen Bundesamt (Destatis) zufolge ist die Zahl der beantragten Regelinsolvenzen im Januar um 14,1% zum Vorjahresmonat geklettert. Im Dezember lag der Zuwachs bei 13,8%, im November waren es noch 12,6%. Damit setzt sich die seit Juni 2023 währende Folge zweistelliger Zuwachsraten im Jahresvergleich fort. Einzige Ausnahme war der Juni 2024 mit einem Plus von 6,3%, wie die Wiesbadener Statistiker betonen.
Deutlich höhere Forderungen
Dass die Anträge erst nach der ersten Entscheidung des Insolvenzgerichts in die Statistik einfließen, führt zu einer Zeitverzögerung von annähernd drei Monaten, aktuelle Daten liegen daher erst für November vor. In diesem Monat verzeichneten die Amtsgerichte einen Anstieg der beantragten Unternehmensinsolvenzen um 18,1% im Monatsvergleich auf 1.787. Die entsprechenden Forderungen der Gläubiger liegen bei rund 2,8 Mrd. Euro. Im November zuvor waren es rund 1,5 Mrd. Euro. Die Zahl der Verbraucherinsolvenzen kletterte binnen Jahresfrist um 2,8% auf 5.971.
Existenzkiller Wirtschaftskrise
„Die Wirtschaftskrise kostet immer mehr Betriebe die Existenz“, kommentierte DIHK-Chefanalyst Volker Treier mit Blick auf das Zehnjahreshoch im November. Den Ausblick für 2025 bezeichnete er als „trübe“, die Liquiditätsprobleme nähmen zu. Denn die steigenden Insolvenzzahlen sorgen für einen Höchststand der Unternehmen, die deswegen Forderungsausfälle zu verkraften haben: Der DIHK-Umfrage zu Jahresbeginn zufolge stieg der entsprechende Anteil auf 14%, im Herbst waren es noch 13%. Finanzierungsschwierigkeiten hatten 42% der mehr als 23.000 Befragten, zuvor waren es 41%.
Sämtliche Branchen betroffen
„Die Malaise zieht sich durch die gesamte Branchenlandschaft“, ergänzte Treier. „Im Kraftfahrzeugbau berichtet fast jedes vierte Unternehmen von Zahlungsengpässen; in den Gesundheits- und sozialen Diensten, im Gastgewerbe und in der Bildungswirtschaft sind es jeweils 25% und mehr“, zitiert er aus der DIHK-Umfrage. Destatis zufolge war erneut der Wirtschaftsabschnitt Verkehr und Lagerei mit 9,0 Fällen je 10.000 Unternehmen am stärksten betroffen, gefolgt vom Baugewerbe mit 7,5 Insolvenzen sowie dem Gastgewerbe mit 6,9 Insolvenzen. Im November kamen insgesamt 5,2 Unternehmensinsolvenzen auf 10.000 Firmen.
Treier erwartet für 2025 ein weiteres Anwachsen der Insolvenzwelle. Die vom IWH erhobenen Frühindikatoren wiederum, die dem Insolvenzgeschehen um zwei bis drei Monate vorauslaufen, lassen zumindest für die Monate Februar und März keinen wesentlichen Anstieg der Insolvenzzahlen vermuten. Dem IWH-Insolvenztrend zufolge verharrte die Zahl der Insolvenzen von Personen- und Kapitalgesellschaften in Deutschland im Januar mit 1.342 auf dem hohen Niveau der Vormonate. Das sind 49% mehr als in einem durchschnittlichen Januar der Vor-Corona-Jahre 2016 bis 2019. 2024 hatte es laut der Auskunftei Creditreform rund 22.400 Unternehmensinsolvenzen gegeben, so viele wie nie seit 2015. Die Experten erwarten einen weiteren Anstieg: So könnte der Höchststand der Finanzkrisenjahre 2009 und 2010 mit jährlich mehr als 32.000 Fällen geknackt werden.
Ansatzpunkt für Wirtschaftsförderung
Christoph Niering, Insolvenzverwalter und Vorsitzender des Berufsverbandes der Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands (VID), findet den aktuellen Anstieg zwar bedenklich, er sei jedoch nicht mit den dramatischen Zahlen der vergangenen Krisen vergleichbar. „Anstieg ja, Dramatik nein“, fordert er von der Politik eine sachliche Betrachtung der Situation. Denn: „Insolvenzen werden zunehmend im Wahlkampf genutzt, um die aktuelle Wirtschaftslage dramatisch auszuleuchten, zuletzt von Friedrich Merz im TV-Duell.“ Sie sollten aber als Anstoß betrachtet werden, um über notwendige Maßnahmen zur Unterstützung von Unternehmensgründungen und zur Stärkung der Wirtschaft nachzudenken.
„Bürokratieabbau und gezielte Infrastrukturinvestitionen sind notwendig, um ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu schaffen“, betonte Niering. Die Gründe für den Insolvenzanstieg seien vielschichtig − von anhaltenden wirtschaftlichen Unsicherheiten bis hin zu strukturellen Herausforderungen einzelner Branchen. Oftmals fehlten aber auch schlichtweg tragfähige Geschäftsmodelle.