Geldpolitik

Fragezeichen hinter Zinssenkung der EZB im Dezember werden größer

Einige EZB-Räte zweifeln offenbar am Spielraum für zwei Zinssenkungen bis zum Jahresende. Die Wahrscheinlichkeit einer Lockerung der Geldpolitik im September dürfte allerdings hoch sein.

Fragezeichen hinter Zinssenkung der EZB im Dezember werden größer

Fragezeichen hinter Dezember-Zinssenkung werden größer

Einige EZB-Räte zweifeln am Spielraum für zwei Lockerungen bis Jahresende – Ökonomen heben Inflationsprognose an

mpi Frankfurt

An den Finanzmärkten wird auf ein bis zu zwei weitere Zinssenkungen der EZB bis zum Jahresende spekuliert. Während sich die Anzeichen verdichten, dass im September eine Anpassung der Leitzinsen nach unten erfolgen könnte, wachsen im EZB-Rat offenbar die Zweifel an einer weiteren zum Jahresende.

Da zuletzt immer wieder EZB-Ratsmitglieder die Bedeutung der Projektionen der Notenbank zu Inflation und Wirtschaftswachstum betont haben, rechnen viele Beobachter damit, dass September und Dezember mögliche Termine für Zinssenkungen sind. Im Rahmen dieser geldpolitischen Sitzungen aktualisieren die Ökonomen der Notenbank ihre Prognosen.

Lagarde betont Datenabhängigkeit

Angesichts des anhaltenden Inflationsdrucks seien mehrere EZB-Ratsmitglieder nicht mehr so zuversichtlich, dass noch zwei weitere Zinssenkungen in diesem Jahr möglich sind. Das berichtet Bloomberg mit Verweis auf namentlich nicht genannte Insider. Die Finanzmärkte sollten zudem nicht davon ausgehen, dass eine Zinssenkung im September bereits in Stein gemeißelt ist. Bei den EZB-Räten dürfte es sich um diejenigen handeln, die bereits im Juni unglücklich über die Zinssenkung der Notenbank waren.

Auch offiziell heißt es von Seiten der EZB, dass es bezüglich des Septembers noch keine Entscheidung gibt. „Der EZB-Rat hat stark bekräftigt, dass er sich nicht auf einen bestimmten Zinspfad festlegt“, hatte die EZB-Präsidentin am Donnerstag im Anschluss an den Zinsentscheid verkündet. „Was wir im September machen, ist völlig offen.“

Debatte um Zinssenkung im September

Die Mehrheit der Bankanalysten und Ökonomen geht jedoch davon aus, dass die Notenbank mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Zinssenkung im September beschließen dürfte. Solange die neuen Wirtschaftsdaten bis zur kommenden Sitzung im Einklang mit der aktuellen Inflationsprognose der EZB stünden, sei der Weg frei für eine Lockerung der Geldpolitik. Da die Notenbank bis September kaum Fortschritte bei der Entwicklung für die Inflation erwartet, dürfte die Hürde für eine Zinssenkung demnach niedrig sein.

Der im EZB-Rat einflussreiche französische Notenbankpräsident François Villeroy de Galhau sagte am Freitag, dass er die aktuellen Markterwartungen bezüglich Zinssenkungen als „ziemlich vernünftig“ betrachtet. Da an den Märkten fest mit einer Lockerung im September gerechnet wird, dürfte dies ein Signal dafür sein, dass der Franzose derzeit von einer Zinssenkung nach der Sommerpause ausgeht.

Hohe Inflation bei Dienstleistern

Auch der litauische Notenbankpräsident Gediminas Simkus bekräftigte die Markterwartungen. Zwei Zinssenkungen bis zum Jahresende seien realistisch. „Wenn es keine Überraschungen oder schwarze Schwäne gibt und die Inflation wie erwartet konvergiert, wird bei den nächsten Sitzungen zweifellos eine weitere Lockerung der Geldpolitik anstehen.“ Ob dies bereits im September der Fall sei, hänge von den Entwicklungen der Daten bis dahin ab.

Sein estnischer Amtskollege Madis Müller sagte am Freitag, dass es für ihn schwierig einzuschätzen sei, wie viele Zinssenkungen die EZB in diesem Jahr noch verkünden dürfte. „Wir wissen, dass es immer noch Schwankungen bei der Inflation gibt“, sagte Müller. Er betonte, dass eine Inflation im Dienstleistungssektor um die 4% und ein Lohnwachstum von 5% „nicht im Einklang mit dem 2%-Ziel“ stünden. Er halte es aber für realistisch, dass die Gesamtrate der Inflation von derzeit 2,5% in den kommenden zwölf Monaten sinken wird.

Niedrigeres Lohnwachstum?

Die EZB erwartet derzeit, dass sie ihr Inflationsziel von 2% in der zweiten Jahreshälfte 2025 erreichen wird. Ein wesentlicher Grund für den Optimismus ist die Vorhersage der Notenbank, dass sich das Lohnwachstum signifikant abschwächen wird. Diese Einschätzung bekräftigte die EZB am Freitag. Laut einer neuen Umfrage der Zentralbank rechnen die befragten Unternehmen in der Eurozone damit, dass sich der Anstieg der Löhne von 5,4% in 2023 auf 4,3% in diesem Jahr verlangsamen wird. Für 2025 sagen sie ein Lohnwachstum von 3,5% voraus.

Derweil erwarten von der EZB befragte Ökonomen eine höhere Kerninflation in diesem und im nächsten Jahr als bei einer vorherigen Umfrage vor drei Monaten. Für 2024 hoben sie den Wert um 0,1 Prozentpunkte auf 2,7% und für 2025 ebenfalls um 0,1 Prozentpunkte auf 2,2% an. Die Prognose für die Gesamtrate der Inflation bliebt stabil bei 2,4% bzw. 2,0%. Für 2026 rechnen sie aber nun nicht mehr mit einer Punktlandung beim Inflationsziel, sondern einem leichten Unterschreiten auf 1,9%. Bei der Konjunktur sind sie für dieses Jahr etwas optimistischer.


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