Geldpolitik

Frühe EZB-Zinssenkung scheidet die Geister

Eine Umfrage der Börsen-Zeitung verdeutlicht, wie unterschiedlich die Ratschläge von Volkswirten an die EZB ausfallen.

Frühe EZB-Zinssenkung scheidet die Geister

Frühe EZB-Zinssenkung
scheidet die Geister

Ökonomen-Umfrage der Börsen-Zeitung offenbart konträre Ansichten

mpi Frankfurt

Die Ansichten unter Ökonomen, wann die Europäische Zentralbank (EZB) die erste Zinssenkung verkünden sollte, variieren deutlich. Besser gestern als morgen, ist die Devise von Sebastian Dullien, wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK). „Jede Verzögerung einer Zinssenkung ist jetzt ein Fehler“, meint er in einer Ökonomenumfrage der Börsen-Zeitung. Er begründet seine Haltung damit, dass die Inflation in den kommenden Monaten deutlich nachlassen werde und die Konjunktur schwach bleibe.

Deutlich weniger optimistisch auf die Entwicklung der Teuerung blickt Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank. „Das größte Aufwärtsrisiko für die Inflation geht von den Löhnen aus, die viel stärker steigen, als mit dem Inflationsziel von 2% vereinbar ist“, sagt er. Er erwartet daher, dass die Teuerung in diesem Jahr eher bei 3 als bei 2% liegen wird. Die EZB sollte laut Krämer die Lohndaten fürs erste Quartal abwarten und auswerten, ob diese mit einer Zinssenkung im Juni vereinbar sind oder nicht. Ähnlich klingen die meisten Äußerungen aus dem EZB-Rat.

Auch Konstantin Veit, Portfoliomanager beim Vermögensverwalter Pimco, mahnt zur Vorsicht bei Zinssenkungen. „Die Geschichte der hohen Inflation lehrt uns, dass – wenn die Zentralbanken versuchen, zu schnell zu normalisieren, bevor das Problem wirklich besiegt ist – wir eine weitere Inflationswelle und anschließend eine weitere Welle von Zinserhöhungen bekommen“, erklärt er in der Umfrage.

Uneinigkeit auch im EZB-Rat

Auf die Gefahr, zu früh zu lockern, weist am Tag nach dem Zinsentscheid der EZB auch Ratsmitglied Martins Kazaks hin. Zu früh die Zinsen zu senken sei kostspielig. Die EZB brauche daher Geduld. Sein Amtskollege Gediminas Simkus zeigte sich hingegen offen gegenüber einer Zinssenkung bereits im April. „Ich bin aufgeschlossen – ich sehe mir die Daten an und entscheide“, sagte der litauische Notenbankchef.

Neue Daten vom Freitag sind indes ein Erfolg für die EZB und stärken eher die Position jener, die sich für eine frühe Lockerung aussprechen. Die Inflationserwartungen von Ökonomen, die die EZB befragt hat, fallen niedriger aus als zuletzt. Sie rechnen nun nur noch mit einer Teuerung von 2,4% in diesem Jahr, nach zuvor 2,7%. Für 2025 prognostizieren sie, dass die Inflation bei 2,0% liegt – dem Inflationsziel der Notenbank. Da Menschen ihr Ausgabeverhalten mitunter an ihre Inflationserwartungen anpassen, sind die Erwartungen an die Preisentwicklung bedeutend für die Geldpolitik.

Die vollständigen Antworten der Teilnehmer der Ökonomenumfrage gibt es auch im Wortlaut: Sebastian DullienMichael HütherFritzi Köhler-GeibChristoph M. Schmidt, Jörg Krämer und Konstantin Veit.

Artikel zur EZB-Umfrage über die Entwicklung der Inflationserwartungen

Bericht zur aktuellen Geldmengenentwicklung

Schwerpunkt Seite 7