Frühlingsgefühle trotz Bankenbeben
ast Frankfurt
– Die deutsche Wirtschaft befindet sich in einem Stimmungshoch. Das Ifo-Geschäftsklima stieg im März den fünften Monat in Folge – und das überraschend deutlich von 91,1 auf 93,3 Punkte. Ökonomen hatten einen leichten Rückgang erwartet. „Trotz der Turbulenzen bei einigen internationalen Banken stabilisiert sich die deutsche Konjunktur“, sagte Clemens Fuest, Präsident des Münchner Ifo-Instituts, zum Ergebnis der monatlichen Umfrage unter 9000 Führungskräften.
Das Geschäftsklima verbesserte sich in allen betrachteten Wirtschaftsbereichen. Treiber der Aufwärtsentwicklung waren vor allem die Erwartungen der Unternehmen – aber auch die aktuelle Lage beurteilten die Firmen wieder etwas besser. Volkswirte warnen allerdings vor verfrühtem Optimismus: Steigende Zinsen, die aktuellen Schwierigkeiten einiger Großbanken und eine maue Auslandsnachfrage hielten eine Rezession nach wie vor im Bereich des Möglichen.
Der Teilindex für die aktuelle Lage erreichte mit 95,4 Punkten ein Sieben-Monats-Hoch. Hier wurde die bereits für Februar erwartete deutliche Erholung verzögert nachgeholt. Die Geschäftserwartungen der befragten Unternehmen stiegen sogar auf den höchsten Stand seit Februar vor einem Jahr. „In allen Schlüsselbranchen geht es nach oben – von den Auto- und Maschinenbauern bis hin zur Chemie- und Elektroindustrie“, sagte Ifo-Konjunkturexperte Klaus Wohlrabe der Nachrichtenagentur Reuters. Ein Blick auf die Konjunkturuhr (siehe Grafik) zeigt aber, dass die Wirtschaft nach wie vor im Krisenmodus verharrt. Denn die Urteile der befragten Firmen bleiben trotz Verbesserung unterdurchschnittlich. Immerhin sei die deutsche Wirtschaft „mit einem guten Gefühl in den Frühling“ gestartet, so Wohlrabe. Eine Winterrezession sei unwahrscheinlicher geworden.
Ökonomen uneins
Die Volkswirte sind geteilter Meinung. Der Anstieg verbessere zwar die Aussichten für das zweite Quartal, erklärte etwa Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank. „Aber die Zinsanhebungen der EZB seit Juli vergangenen Jahres wirken mit einer Zeitverzögerung von mindestens vier Quartalen und sprechen gegen eine wirtschaftliche Erholung in der zweiten Jahreshälfte.“ Wahrscheinlicher sei dagegen ein Rückgang der Wirtschaftsleistung, wobei aufgrund der Resilienz der deutschen Unternehmen und des Arbeitskräftemangels nicht mit einer tiefen Rezession zu rechnen sei.
Ähnlich sieht es Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der ING: „Die deutsche Wirtschaft wird weiterhin mit einer Rezession flirten.“ Grund seien der Krieg in der Ukraine, der Strukturwandel und die Auswirkungen der aggressivsten geldpolitischen Straffung seit Jahrzehnten. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat im Kampf gegen die zu hohe Inflation die Leitzinsen seit Juli um 350 Basispunkte erhöht.
Ulrich Wortberg, Analyst der Landesbank Hessen-Thüringen, hingegen erwartet eine allmähliche Erholung im Jahresverlauf. Und auch Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank, zeigt sich optimistisch: „Der Ifo-Geschäftsklimaindex ist zwar immer noch auf Niveaus, die durchaus mit einem Schrumpfen der deutschen Wirtschaft konform sind, doch die gute Nachricht ist, dass ein deutlicher Rückgang des Bruttoinlandsprodukts nicht gefürchtet werden muss.“ Zwar werde die Wirtschaft eine milde Rezession durchlaufen. Aber „die Signale werden in Richtung des zweiten Halbjahres immer deutlicher auf Erholung gestellt“, so Gitzel.
Erstaunlich ist die positivere Einschätzung der Unternehmen in Bezug auf die konjunkturelle Lage insbesondere aufgrund der jüngsten Turbulenzen an den Finanzmärkten. Nach dem Kollaps der Silicon Valley Bank (SVB) in Kalifornien geriet auch die Schweizer Großbank Credit Suisse in Schieflage und wurde von der UBS übernommen. Zwischenzeitlich verloren auch deutsche Bankhäuser wie die Commerzbank und die Deutsche Bank an der Börse deutlich an Wert. Zuletzt beruhigten sich die Kurse zwar etwas, doch die Unsicherheit bleibt. Laut Ifo haben sich die beim Institut eintreffenden Umfragedaten nach dem Turbulenzen bei SVB und Credit Suisse zwar nicht verschlechtert. „Wir sehen noch keine Auswirkungen auf die Realwirtschaft“, erklärte Fuest in einem Statement auf der Ifo-Internetseite. „Das heißt aber nicht, dass da nicht noch etwas kommt.“