Drohende Engpässe

Gas-Notfallplan ist unverzichtbar

Angesichts der aktuellen Risiken bei der Gasversorgung, ist es unverzichtbar, dass sich die EU mit einem gemeinsamen Notfallplan auf den Winter vorbereitet – damit kein Hauen und Stechen zwischen Unternehmen und Mitgliedsländern ausbricht, wenn die Engpässe erst einmal da sind.

Gas-Notfallplan ist unverzichtbar

Im Juni haben die russischen Gaslieferungen in die EU bei weniger als 30% der in den letzten Jahren üblichen Mengen gelegen. Dies hatte nicht nur mit Machtspielen des Kreml zu tun, sondern auch mit einem geringeren Verbrauch und einer durchaus erfolgreichen Diversifizierungspolitik, durch die Gasimporte aus Russland ersetzt werden konnten. Es kam deutlich mehr verflüssigtes Erdgas (LNG) in der EU an – insbesondere aus den USA – sowie mehr Pipeline-Gas aus Norwegen oder dem Kaspischen Meer. Doch all dies reicht bei weitem nicht aus, sollte Russlands Machthaber Wladimir Putin der EU tatsächlich den Gashahn komplett abdrehen – was EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mittlerweile für ein „wahrscheinliches Szenario“ hält. Immerhin zwölf EU-Länder sind aktuell ja schon von kompletten oder zumindest teilweisen Lieferkürzungen aus Russland betroffen.

Von daher ist es unverzichtbar, dass sich die EU jetzt mit einem gemeinsamen Notfallplan auf den anstehenden Winter vorbereitet. Es gibt einen eigentlich recht gut funktionierenden und verflochtenen Gasbinnenmarkt, über den viele Ausfälle in einzelnen Mitgliedstaaten aufgefangen werden können. Eine gute Koordination ist dabei ebenso wichtig wie eine nachvollziehbare und intelligente Priorisierung der Verbräuche, damit kein Hauen und Stechen zwischen den Unternehmen und Branchen und zwischen den Mitgliedsländern ausbricht, wenn die Engpässe im Winter erst einmal da sind.

Einen Vorgeschmack, worauf so etwas hinauslaufen würde, gaben am Mittwoch Äußerungen von polnischen Politikern der nationalkonservativen PiS-Partei. Das Land hat seine Gasspeicher schon nahezu vollständig gefüllt. Solidarität mit Deutschland bei Gasengpässen, so hieß es aber nun vereinzelt in Warschau, sei nur unter Bedingungen machbar – wenn etwa das Thema Kriegsreparationen wieder auf die Agenda komme. Es ist daher gut, dass die Kommission jetzt konkrete Vorgaben beim Thema Energiesparen macht und dabei möglichst auf marktbasierte Instrumente setzt.

Doch der Notfallplan hat auch Schwachstellen. Dazu gehören die Kriterien, die es der Brüsseler Behörde erlauben, den Notstand auszurufen und Zwangskürzungen bei den Gasverbrauchern einzuleiten. Lediglich drei EU-Staaten können diese Alarmstufe auslösen oder die EU-Kommission selbst bei der Auslegung einer möglichen Risikosituation. Hier sollten Schwellen und Ermessensspielräume noch einmal nachgeschärft werden.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.