EU-Taxonomie

Glaubwürdig­keit retten

Der EU-Kommission ist offenbar klar, dass sie mit ihrer geplanten Nachhaltigkeitsklassifizierung von Atom und Gas auch ihre Taxonomie gefährdet. Anders ist die gleichzeitige Transparenzoffensive kaum zu erklären.

Glaubwürdig­keit retten

Grüne Anleihen und nachhaltige Fonds werden künftig wohl vereinzelt Warnhinweise tragen nach dem Motto „Caution! Greenwashing inside“. Oder so ähnlich zumindest. Denn die EU-Kommission will mit der geplanten grünen Klassifizierung von Gas- und Atomkraftwerken gleich auch die Offenlegungspflichten für Finanzprodukte ändern. Anleger sollen sehr transparent Informationen erhalten, ob mit den Produkten auch Gas- oder Atomprojekte finanziert werden. Offenbar treibt auch die Brüsseler Beamten die Sorge um, dass sie mit ihren grünen Labelplänen der ganzen Taxonomie einen Bärendienst erweisen. Die begleitende Transparenzoffensive hat ganz offensichtlich das Ziel, die Glaubwürdigkeit des EU-Klassifizierungssystems zu retten.

Lange hatte sich die EU-Kommission vor einer Entscheidung zur Nachhaltigkeitseinstufung der einzelnen Erzeugungsarten gedrückt. Es war schließlich immer klar, dass Europa in Energiefragen nur schwer zueinanderfindet. Im April wurde die Vorlage zu Gas und Atom kurzerhand auf das vierte Quartal geschoben. Es folgte im Dezember eine verdruckste Kommunikation und schließlich – als dann wirklich alle in den Winterurlaub verschwunden waren – eine Mitteilung am Silvesterabend an die Mitgliedstaaten.

Dass Atomstrom zwar CO2-arm, aber ansonsten keinesfalls nachhaltig ist, wird auch in Brüssel kaum bestritten. Das Entsorgungsproblem ist ja bekannt. Dass der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft mittlerweile von einer „risikobehafteten und teureren Technologie“ spricht, sagt auch schon viel. Und selbst französische Green-Finance-Label schließen Atomenergie aus. Doch Frankreich und seine Unterstützer allen voran aus Osteuropa haben seit dem Herbst eine sehr effektive Pro-Atom-Kampagne gefahren. Sie bilden die Mehrheit in der EU. Dies war für die Entscheidung der Kommission wichtig.

Beim Thema Gas hat Brüssel deutlich mehr Argumente auf seiner Seite: Hier gelten viel kürzere Fristen und strenge Voraussetzungen, so dass hier tatsächlich die Einstufung als Brückentechnologie gerechtfertigt ist, die ja auch von Berlin unterstützt wird. Der Übergang vom Erdgas auf klimaneutrale Wasserstoff-Produktion muss immerhin bis 2035 gelungen sein.

Es geht bei der Klassifizierungsentscheidung der EU-Kommission im Endeffekt um güns­tige Finanzierungsbedingungen für die Energiebranche. Die Frage ist offen, wie die Anleger jetzt reagieren. Die neuen Warnhinweise werden auf viele wohl eher abschreckend wirken.