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Goldener Mittelweg in der Fiskalpolitik gesucht

Nach Jahren hoher Verschuldung wollen die Industrieländer – auch angesichts hoher Inflation – wieder auf den fiskalpolitischen Normalpfad einschwenken. Einen Austeritätsschock suchen sie aber zu vermeiden.

Goldener Mittelweg in der Fiskalpolitik gesucht

wf Berlin

Die G7 ist angesichts deutlich verlangsamten Wachstums und spürbarer Preissteigerungen auf der Suche nach einem goldenen Mittelweg in der Fiskalpolitik. Die expansive Budgetpolitik sei in Zeiten eines massiven Nachfragerückgangs durch die Covid-Pandemie richtig gewesen, hieß es in Berlin in Regierungskreisen. Die Wirtschaft dürfe jetzt aber auch keinem Austeritätsschock ausgesetzt werden, sagte ein Regierungsbeamter vor dem Treffen der sieben führenden Industrieländer (G7). Es werde bei dem Treffen keine so klare Antwort mehr wie in den vergangenen Jahren geben, wird in Berlin erwartet. Die Notwendigkeit von Investitionen werde aber wieder eine dominante Rolle spielen. Globale Infrastrukturpartnerschaften sollen vorangetrieben werden.

Unter dem Motto „Fortschritt für eine gerechte Welt“ treffen sich vom 26. bis 28. Juni die Staats- und Regierungschefs der G7 auf Schloss Elmau in Bayern. Deutschland hat in diesem Jahr die Präsidentschaft. Zum Länderkreis gehören zudem die USA, Kanada, Japan, Frankreich, Großbritannien und Italien. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat auch Partnerländer eingeladen: Indien, Indonesien, Südafrika, Argentinien und Senegal. Dies soll ein Zeichen setzen, dass die G7 den Dialog mit Partnerländern des globalen Südens sucht. Indonesien hat derzeit den Vorsitz in der G20 der großen Industrie- und Schwellenländer. Senegal steht aktuell der Afrikanischen Union vor.

Geschlossenheit als Signal

Das Treffen in Elmau soll nach Angaben der Bundesregierung das Signal einer entschlossenen und geschlossenen G7 setzen. Geplant ist ein gemeinsames Abschlusskommuniqué. Der Krieg in der Ukraine nach dem Überfall Russlands mit seinen vielfältigen Folgen werde das beherrschende Thema sein – darunter die Frage der Wirksamkeit von Sanktionen. Nach Einschätzung in Berlin ist die Fähigkeit Russlands, Technologie zu importieren und Zentralbankgeld für die Kriegsführung einzusetzen, deutlich eingeschränkt. Die Zusammenarbeit der internationalen Partner bei den Sanktionen gegenüber Russland funktioniere gut und werde fortgesetzt. In Berlin wurde auf die Vorarbeiten der EU verwiesen, die Sanktionen im Ölsektor, aber auch Restriktionen bei Versicherungs- und sonstigen Finanzdienstleistungen für den Export russischen Öls betreffen. Dort sei nun eine internationale Abstimmung erforderlich.

Ukraine und EU

Weitere Themen in Elmau werden die militärische Zusammenarbeit und die Heranführung der Ukraine an die EU sein. Scholz hatte sich dazu bereits bei seinem Besuch in Kiew zusammen mit dem französischen Präsidenten Emanuel Macron und Italiens Regierungschef Mario Dra­ghi geäußert. Bekräftigen werden die Staats- und Regierungschefs in Elmau ihre Finanzhilfe für die Ukraine. Die G7-Finanzminister hatten bereits Zusagen gemacht. Die Ukraine benötigt monatlich rund 5 Mrd. Euro, um ihren laufenden Haushalt zu finanzieren. Für diese Summe bedürfe es globaler Zusammenar­beit und noch mehr für die längerfristigen und größeren Aufbauhilfen.

Wichtig ist Berlin zudem, das Projekt eines globalen Klimaclubs voranzubringen. Damit sollen die Länder auf dem Weg zur Klimaneutralität kooperieren und nicht – etwa mit der Einführung von Zöllen – gegeneinander arbeiten. Der Klimaclub soll möglichst viele Länder einbeziehen. Auf der Tagesordnung der G7 steht zudem das Thema Gesundheit, um weiteren Covid-Ausbrüchen vorzubeugen. Die B7, die führenden Wirtschafts- und Industrieverbände der G7-Staaten, übergaben ein Kommuniqué an Scholz, in dem sie sich für weltweit weniger Protektionismus und mehr offene Märkte einsetzen, um Chancen, Wohlstand und Beschäftigung zu steigern. „Die B7 sind nach wie vor davon überzeugt, dass internationaler Handel kein Nullsummenspiel ist, sondern globalen Wohlstand schafft“, erklärte der Präsident des Industrieverbands BDI, Siegfried Russwurm.