Geldpolitik

Greenpeace drängt EZB zu grünem Tapering

Die Klimaschützer fordern, „Anleihen klimaschädlicher Unternehmen aus den Kaufprogrammen zu nehmen“. Eine neue Studie soll den Druck erhöhen: Demnach gefährden Naturkatastrophen die Preisstabilität.

Greenpeace drängt EZB zu grünem Tapering

rec Frankfurt

Die Klimaschutzorganisation Greenpeace nimmt die Europäische Zentralbank (EZB) bei dem sich anbahnenden Abschmelzen der umfangreichen Anleihekäufe in die Pflicht. Das sogenannte Tapering „bietet der EZB die Chance, Anleihen klimaschädlicher Unternehmen aus den Kaufprogrammen zu nehmen“, fordert Mauricio Vargas, Finanzexperte von Greenpeace. Im Vorfeld der EZB-Ratssitzung an diesem Donnerstag veröffentlicht Greenpeace eine Studie, wonach Naturkatastrophen die Preisstabilität in Euroland gefährden – und zwar je nach Land und Region in teils gegensätzlicher Weise.

Mit den Erkenntnissen der Studie, die der Börsen-Zeitung vorab vorliegt, erneuert Greenpeace sein Drängen an die Euro-Währungshüter, mehr zum Kampf gegen den Klimawandel beizutragen. Die Debatte über die Anleihekäufe ist dabei ein zentraler Aspekt, wenn auch nicht der einzige. Im Zuge der Anleihekaufprogramme hat das Eurosystem aus EZB und nationalen Notenbanken Bonds in Billionenhöhe erworben – hauptsächlich Staatsanleihen, aber auch Anleihen von Unternehmen im Wert von mehreren hundert Milliarden Euro. Analysen zeigen, dass in den Bilanzen des Eurosystems überproportional viele Papiere aus Sektoren mit vergleichsweise hohem Ausstoß des klimaschädlichen Kohlenstoffdioxids (CO2) wie der Energiebranche liegen (siehe Grafik).

Klimaschützer kritisieren diese Unwucht. Auch innerhalb der EZB hat man das Problem erkannt. Laut der im Juli verkündeten strategischen Neuausrichtung will die EZB Klima-Aspekte stärker berücksichtigen. EZB-Direktorin Isabel Schnabel ließ aufhorchen, indem sie für eine stärker nach grünen Kriterien ausgerichtete Geldpolitik plädierte und eine Abkehr vom Prinzip der Marktneutralität bei Anleihekäufen anregte. Damit hat sich Schnabel eine zentrale Forderung von Greenpeace zu eigen gemacht. Doch das Bestreben der Klimaschützer reicht weiter. Sie verlangen, Anleihen als klimaschädlich erachteter Unternehmen vollständig von den Käufen und aus dem Sicherheitenrahmen der EZB auszuschließen. Das würde bedeuten, dass Banken diese Papiere nicht mehr als Sicherheiten (Collaterals) für Refinanzierungsgeschäfte mit den Notenbanken nutzen dürften. Ein solcher Beschluss zeichnet sich allerdings nicht ab – auch weil einschlägige Offenlegungspflichten für den CO2-Fußabdruck von Firmen fehlen.

Klimaschützer und manche Beobachter geben sich damit nicht zufrieden. Greenpeace-Experte Vargas verweist beispielsweise auf den aufsehenerregenden Appell der Internationalen Energieagentur (IEA), die im Frühjahr einen sofortigen, umfassenden Bann klimaschädlicher Investitionen forderte. Vargas: „Es ist der EZB schon heute möglich, in bestimmten eindeutigen Fällen zu reagieren. Das hätte Signalwirkung.“

Den Druck erhöhen will Greenpeace mit den Ergebnissen einer neuen Studie. Darin kommen Vargas und Kollegen vom Deutschem Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und der Londoner Universität SOAS zu der Erkenntnis, dass Naturkatastrophen wie Fluten, Stürme und Dürren einen nachweisbaren Einfluss auf die Preise im Euroraum haben. Für ihre Analysen berücksichtigten die Forscher 227 Ereignisse in den vier großen Euro-Volkswirtschaften seit 1996. Zwar handele es sich um eher geringfügige Effekte, die aber dennoch statistisch signifikant seien und angesichts zunehmender Wetterextreme „nur andeuten, was noch auf uns zukommt“, so der SOAS-Ökonom Ulrich Volz. Alexander Kriwoluzky, Makroökonom am DIW, sekundiert: „Der Fakt, dass schon relativ kleine Katastrophen signifikante Preiseffekte haben, sollte der EZB zu denken geben.“

Kriwoluzky hebt hervor, dass die Folgen nach ersten Erkenntnissen uneinheitlich seien: „In Deutschland überwiegt der deflationäre Effekt, während in Frankreich und Spanien Preise nach Naturkatastrophen eher steigen. Das muss die EZB sehr ernst nehmen.“ Den Hintergründen will er nun nachgehen. Das Thema treibt auch die EZB um. Notenbankchefin Christine Lagarde zufolge haben Extremwetter längst Folgen für Wirtschaft und Preise im Euroraum. Als Beispiel führte sie an, dass der Rhein wegen Niedrigwasser mitunter für Schiffe gesperrt werden muss.