Verbraucherpreise

Große Inflationskluft in Euroland

22,5 % in Estland, 7,1 % in Frankreich: Bei der Inflation klafft eine große Lücke zwischen den Euro-Staaten. Das erschwert der EZB die Arbeit und erklärt teils die kontroverse Debatte im EZB-Rat über den weiteren Zinskurs.

Große Inflationskluft in Euroland

ms Frankfurt

Die Inflationsunterschiede zwischen den Euro-Ländern sind weiterhin eklatant – auch wenn sie sich zuletzt etwas verringert haben. Das erschwert für die Europäische Zentralbank (EZB) ihre ohnehin nicht leichte Aufgabe im Kampf gegen die Rekordinflation und dürfte dazu beitragen, dass aktuell im EZB-Rat intensiv um den weiteren Zinskurs gerungen wird. In jedem Fall bleibt der Druck auf die EZB hoch, auch wenn die Oktober-Inflation marginal geringer ausfiel als zunächst gedacht.

Laut Mitteilung von Eurostat lag die Inflationsrate im Oktober in Estland mit 22,5% (September: 24,1%) am höchsten. Auch die anderen baltischen Staaten liegen mit an der Spitze. Unter den größten Euro-Volkswirtschaften verzeichnen die Niederlande mit 16,8% (17,1%) die höchste Teuerung. Am anderen Ende des Spektrums liegen Frankreich und Spanien mit 7,1% (6,2%) und 7,3% (9,0%) Inflation. Für die Eurozone insgesamt korrigierte Eurostat die Vorabschätzung leicht nach unten – von 10,7% auf 10,6%.

Die 10,6% bedeuten aber immer noch ein absolutes Rekordhoch, und insofern steht die EZB weiter unter Zugzwang. Nach einigem Zögern hatte sie im Juli die Zinswende eingeleitet. Seitdem hat sie ihre Leitzinsen nun um 200 Basispunkte angehoben – so aggressiv wie nie. Im EZB-Rat scheint Konsens zu sein, dass die Leitzinsen weiter angehoben werden müssen. Tempo und Ausmaß sind aber wohl umstritten – wenngleich sich zuletzt die Signale mehrten, dass Mitte Dezember eine Zinserhöhung um 50 Basispunkte anstehen könnte, nach zuletzt zweimal 75 Punkten in Folge (vgl. BZ vom 17. November.

Neben der Höhe des nächsten Zinsschritts wird aber zunehmend auch darum gerungen, wie weit die Leitzinsen überhaupt noch steigen sollen. Ganz konkret geht es um die Frage, ob es ausreicht, sie auf ein neutrales Niveau zu heben, das die Euro-Wirtschaft nicht mehr stimuliert, aber auch nicht bremst, oder ob es ein restriktives Niveau braucht, das die gesamtwirtschaftliche Nachfrage aktiv dämpft. Wo die Grenze genau verläuft, ist nicht mit Bestimmtheit zu sagen, und die EZB lässt sich da kaum in die Karten schauen. Einige Wortmeldungen legen den Schluss nahe, dass der neutrale Zins bei rund 2% gesehen wird – gemessen am Einlagenzins, der aktuell bei 1,5% liegt.

Zuletzt haben vor allem baltische Zentralbankchefs weitere deutliche Zinserhöhungen gefordert und mit restriktiven Leitzinsen geliebäugelt, während Notenbanker aus dem Euro-Süden vor einem zu aggressiven Kurs warnen. Sie sorgen sich wegen der erhöhten Rezessionsgefahr.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.