Großbritannien

Große Tory-Mehrheit stimmt für Liz Truss

Die Tory-Parteimitglieder haben entschieden, dass Liz Truss die Nachfolge von Boris Johnson antreten soll. Wirtschaftsminister Kwasi Kwarteng dürfte ihren Rivalen Rishi Sunak als Schatzkanzler ablösen.

Große Tory-Mehrheit stimmt für Liz Truss

Von Andreas Hippin, London

Die britische Außenministerin Elizabeth „Liz“ Truss (47) hat sich im Rennen um die Nachfolge von Boris Johnson gegen Schatzkanzler Ri­shi Sunak durchgesetzt. Anders als ihr Vorgänger entstammt sie nicht dem sozialliberalen Großbürgertum. Die wegen ihrer unverblümten Art als „menschliche Handgranate“ ge­schmähte Politikerin kommt aus einer linken Familie. Ihre Mutter, eine Kranken­schwester, nahm sie mit zu Demonstrationen der Anti-Atomwaffen-Bewegung CND. Truss beschrieb ihre Eltern einmal als „links von Labour“. Sie sei sich nicht sicher, ob ihr Vater, ein Mathematikprofessor, für sie stimmen würde. Sie besuchte eine Gesamtschule, aus der sie es nach Oxford schaffte. Dort stellte sie ihre kämpferische Natur schnell unter Beweis – allerdings nicht auf Seiten der Konservativen. Truss wurde Präsidentin der Liberaldemokraten an der Hochschule und setzte sich – zum Entsetzen von Parteichef Paddy Ashdown – für die Abschaffung der Monarchie ein. Nach ihrem Universitätsabschluss arbeitete sie für Shell und Cable & Wireless.

Dass sie zu den Tories konver­tierte, dürfte damals nicht wenige überrascht haben. Doch tat sie sich auch dort durch radikale Äußerungen hervor. Gemeinsam mit dem als „der schwarze Boris“ verunglimpften Kwasi Kwarteng, den sie wohl vom Wirtschaftsminister zum Schatzkanzler befördern wird, gehörte sie zu den Verfassern von „Britannia Unchained: Global Lessons for Growth and Prosperity“, einer programmatischen Schrift für den rechten Flügel der Tories. Steuersenkungen und eine Verkleinerung des Staatsapparats sind fester Bestandteil ihrer Vorstellungen von guter Staatsführung. Zudem wird ihr Misstrauen gegenüber Experten und Vertretern des Establishments nachgesagt.

Die Mutter zweier Töchter hatte sich zwar vor dem EU-Referendum 2016 für den Verbleib in der Staatengemeinschaft ausgesprochen. Nachdem die von den Brexit-Gegnern an die Wand gemalte wirtschaftliche Katastrophe nicht eintrat, erklärte sie bereits 2017, dass sie für den Austritt stimmen würde, sollte es ein weiteres Referendum geben. Unter Truss rückt Großbritannien weiter nach rechts.

Der ehemalige Premierminister David Cameron rief die Partei via Twitter auf, sich hinter die neue Premierministerin zu stellen. Von ihr werden schnelle Maßnahmen zur Abfederung der laufenden Energiekrise erwartet. Bemerkenswert ist, dass sie sich einer auch in anderen Ländern diskutierten Preisobergrenze nicht verschließt, obwohl das nicht den ansonsten von ihr propagierten Idealen entspricht. Truss versprach bereits, die von Sunak vorangetriebene Erhöhung der Sozialver­sicherungsbeiträge rückgängig zu machen. Auf die von ihm für das kommende Jahr geplante Erhöhung der Körperschaftsteuer will sie ebenfalls verzichten. „Starve the Beast“ – das Biest aushungern – ist die Strategie, die sich dahinter verbirgt. Unter Johnson wurde der Apparat dagegen immer weiter aufgebläht.

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