Grüne Ausbauziele mit Schwächen
In vier Wochen wählen die Deutschen ein neues Parlament. Nahezu alle Partien sprechen sich für einen effizienteren Klimaschutz aus. Um die deutschen Klimaziele zu erreichen – bis 2030 55% weniger Treibhausgase gegenüber 1990 zu emittieren – ist eine Energiewende notwendig. Sprich: Nicht nur müssen die erneuerbaren Energien den meisten Parteien zufolge ausgebaut und wettbewerbsfähiger werden, sondern auch der Bruttoenergiebedarf in Deutschland muss sinken.
Der Bruttostromverbrauch in Deutschland lag im Jahr 2020 bei rund 545 Terawattstunden – und damit unterhalb des Niveaus des Vergleichsjahres 1990. Allerdings war dieser Rückgang in erster Linie auf die Coronakrise zurückzuführen. Wochenlang war die energieintensive Industrieproduktion ganz oder zumindest teilweise stillgelegt.
Der Ausbau der Erneuerbaren in Deutschland ist Experten zufolge der Schlüssel zum Erfolg im Kampf gegen den Klimawandel. „Die neue Bundesregierung muss der Leitfunktion der erneuerbaren Energien im Energiesystem ebenso Rechnung tragen wie ihrem riesigen Klimaschutz-, Wertschöpfungs- und Innovationspotenzial“, sagt Simone Peter vom Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE).
Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) schreibt vor, dass bis zum Jahr 2025 zwischen 40 und 45% des in Deutschland verbrauchten Stroms aus grünen Quellen stammen müssen. Im Jahr 2020 konnte diese Marke bereits erreicht werden. Allerdings wird der Strombedarf in Deutschland in den kommenden Jahren voraussichtlich sprunghaft steigen. Denn im Zuge der Klimaschutzpolitik sollen bis 2030 sechs Millionen Elektroautos auf Deutschlands Straßen fahren – und diese müssen geladen werden. Auch um die Wasserstoffstrategie des Bundes in die Realität zu übersetzen, müssen Wind- und Sonnenenergie stärker ausgebaut werden. Denn nur mit grüner Energie erhält der Bund am Ende den klimaschonenden grünen Wasserstoff. Die Ziele der Parteien in ihren Wahlprogrammen sind mit Blick auf die Ausbauziele allerdings oft unrealistisch.
Unrealistische Ziele
„Unser Ziel ist es, 100% erneuerbare Energien bis 2035 zu erreichen“, schreiben etwa die Grünen in ihrem Programm. In ihrem Klimaschutz-Sofortprogramm, das die Partei Anfang August präsentierte, definiert sie jährliche Ausbauziele. Ziel ist demnach ein Fotovoltaik-Zubau in Höhe von 12 Gigawatt (GW) pro Jahr ab 2022. Bei der Windenergie an Land soll der Zubau 6 GW pro Jahr betragen. Union und FDP verzichten auf die Nennung konkreter Werte und beschränken sich darauf, die Erneuerbaren „deutlich schneller ausbauen“ zu wollen.
Ohne die Festlegung neuer Nutzungsflächen und beschleunigter Genehmigungsverfahren bleiben die Ziele aber – ob konkret oder nicht – nur Wunschdenken. Der Reformbedarf in den Verfahren ist riesig, die Hürden auch. Artenschutz und der Protest von Anwohnern machen nicht nur die Errichtung etwa von Windrädern schwierig und zeitintensiv, sondern auch gegen Stromleitungen wird vorgegangen. So dauert es in vielen Fällen mehr als zehn Jahre, bis eine Leitung fertiggestellt ist. Das Bundesumweltministerium fordert daher eine einheitlichere Genehmigungspraxis im Artenschutzrecht. Zwar gibt es dazu inzwischen konkrete Beschlüsse von Bund und Ländern, bislang hat sich aber wenig geändert.
Die neue Regierung muss also erst den rechtlichen Rahmen schaffen, um die selbstgesteckten Ziele überhaupt angehen zu können. Und das kostet wiederum wertvolle Zeit.