Energieversorgung

Habeck erhöht Warnstufe für Gas-Notfall

Angesichts des Rückgangs der Gas-Lieferungen aus Russland hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) heute die zweite Stufe des Notfallplans Gas ausgerufen. Eine Rationierung von Gas rückt damit immer näher.

Habeck erhöht Warnstufe für Gas-Notfall

Die Bundesregierung hat am heutigen Donnerstag die zweite Stufe des dreistufigen Notfallplans Gas ausrufen, nachdem die Lieferungen aus Russland stark zurückgegangen sind. Die erhöhte Alarmstufe löst eine noch engere Marktbeobachtung aus. Auch sollen weitere Kohlekraftwerke reaktiviert werden, teilte das Wirtschaftsministerium am Donnerstag mit. Von dem mit der Alarmstufe möglichen Preisanpassungsmechanismus soll aber erst einmal abgesehen werden. Die dritte und höchste Stufe des Plans würde der Bundesregierung erlauben, Gas zu rationieren.

„Gas ist von nun an ein knappes Gut“

„Die Lage ist ernst, und der Winter wird kommen”, erklärte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). „Auch wenn man es noch nicht so spürt: Wir sind in einer Gaskrise. Gas ist von nun an ein knappes Gut.”

Auch die Bemühungen, die Gasspeicher für den kommenden Winter zu füllen, stehen in Frage. „Sollten die russischen Gaslieferungen über die Nord Stream 1-Leitung weiterhin auf dem niedrigen Niveau von 40% verharren, ist ein Speicherstand von 90% bis Dezember kaum mehr ohne zusätzliche Maßnahmen erreichbar”, hieß es vom Wirtschaftsministerium.

„Die Preise sind jetzt schon hoch, und wir müssen uns auf weitere Anstiege gefasst machen”, so Habeck. „Das wird sich auf die industrielle Produktion auswirken und für viele Verbraucherinnen und Verbraucher eine große Last werden. Es ist ein externer Schock.“

Noch im Sommer soll ein Gasauktions-Modell an den Start gehen, das industrielle Gasverbraucher Anreize bietet, Gas einzusparen. Generell ist Gas in der Industrie und zum Heizen weniger leicht zu ersetzen als bei Kraftwerken.

„Rezession bei Rationierung“

Der Industrieverband Hamburg (IVH) hat vor Rationierungen bei der Gasversorgung der Unternehmen gewarnt. Schon jetzt unternähmen die Industriebetriebe „unter dem erheblichen Druck der galoppierenden Gaspreise“ alles Mögliche, um den Verbrauch zu senken, sagte IVH-Chef Matthias Boxberger am Donnerstag. „Weitere maßgebliche Einsparungen wären nur erreichbar, wenn die Produktion gedrosselt würde. Dies hätte gravierende negative Folgen für Lieferketten und den gesamten Wirtschaftskreislauf.“

Eine Unterbrechung der Gasversorgung für die Unternehmen „hätte katastrophale Auswirkungen auf die produzierende Industrie und würde Deutschland unweigerlich in die Rezession schicken“, warnte er. „Für den Industrie- und Wirtschaftsstandort Hamburg braucht es jetzt mehr denn je eine Initiative für Versorgungssicherheit und der Überprüfung aller Standortkosten.“

Der Energiekonzern E.ON rechnet mit weiter hohen Großhandelspreisen beim Gas, lässt aber die Möglichkeit eigener Preiserhöhungen bei seinen Kunden noch offen. „Vieles spricht dafür, dass wir weiterhin mit hohen oder sogar – im Falle eines vollständigen Wegfalls russischer Gasflüsse – noch weiter steigenden Preisen an den Großhandelsplätzen rechnen müssen“, erklärte der Konzern am Donnerstag. Dabei profitierten die Kunden davon, dass E.ON vorausschauend beschaffe. „Dennoch gilt: Auch wenn wir vorausschauend beschaffen, können wir uns einem über einen längeren Zeitpunkt höheren Preisniveau nicht entziehen und müssen unsere Endkundenpreise entsprechend überprüfen.“ In welchem Umfang E.ON in diesem Jahr seine Preise daher weiter anpassen müsse, lasse sich derzeit noch nicht sagen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hatte zuvor wegen der Gaskrise die Alarmstufe ausgerufen.

Versorgung staatlich geregelt

Am Mittwoch hatte Habeck gewarnt, dass sich Europas größte Volkswirtschaft auf eine weitere Kürzung der russischen Gaslieferungen einstellen müsse. Moskau hatte letzte Woche die Lieferungen über seine Hauptpipeline nach Europa gedrosselt.

Der europäische Referenzpreis für Gas stieg in Amsterdam um 1,7% auf 129,30 Euro pro Megawattstunde. Die Kontrakte haben um mehr als 50% zugelegt, seit die staatliche Gazprom PJSC den Durchfluss durch die wichtige Nord Stream-Pipeline um etwa 60% gedrosselt hat.

Ende März hatte die Regierung die Frühwarnstufe in Kraft gesetzt, als die Forderungen des Kremls nach Zahlung in Rubel Deutschland dazu veranlassten, sich auf einen möglichen Lieferstopp einzustellen. Bei der höchsten Stufe des Notfallplans wird die Gasversorgung staatlich geregelt.

VW will eigene Kraftwerke mit Kohle betreiben

Nach Ansicht des Chefs der Volkswagen AG geschieht die Abkehr von Energie aus Russland nicht schnell genug, um den Autokonzern bei einem möglichen Wegfall der Erdgaslieferungen aus Russland vor erheblichen Problemen zu schützen. Um Abhilfe zu schaffen, halte sich der Konzern die Option offen, eigene Kraftwerke mit Kohle statt mit Gas zu betreiben, sagte Herbert Diess in einem Interview anlässlich des Qatar Economic Forum in Doha.

Thyssenkrupp Steel Europe betonte am Dienstag, ein Mindestbezug von Gas sei zur Aufrechterhaltung der Produktion unverzichtbar. „Andernfalls sind Stilllegungen und technische Schäden an unseren Aggregaten nicht auszuschließen”, hieß es gegenüber Reuters. Eine Umstellung von Erdgas auf Öl oder Kohle sei in den Produktionsprozessen nicht möglich.

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