Harris setzt auf Linksruck in der Wirtschaftspolitik
Harris setzt auf Linksruck in der Wirtschaftspolitik
Starker Ausbau von Sozialprogrammen geplant – Frage der Gegenfinanzierung bleibt aber ungeklärt
det Washington
Unmittelbar vor dem demokratischen Nominierungskonvent in Chicago hat US-Vizepräsidentin Kamala Harris Einzelheiten ihres Wirtschaftsprogramms vorgelegt. Im Mittelpunkt stehen Maßnahmen zur Wohnbauförderung, ein Verbot von Preisabsprachen im Lebensmittelhandel und Steuererleichterungen für die Mittelklasse. Die Demokratin, die laut Umfragen in den meisten Swing States inzwischen vor Donald Trump liegt, hat sich mit dem Entwurf, den Republikaner als „puren Sozialismus“ geißeln, aber scharfer Kritik ausgesetzt.
In der Steuerpolitik knüpft Harris unmittelbar an die Initiativen Joe Bidens an. So fordert sie für Familien die Wiedereinführung von Steuererleichterungen in Höhe von 3.600 Dollar pro Kind. Darüber hinaus will sie die Gutschrift für das erste Lebensjahr jedes Neugeborenen auf 6.000 Dollar erhöhen.
Kampf gegen Preisabsprachen
Bei diesem steuerlichen Anreiz handelt es sich um eine staatliche Zuwendung für Haushalte mit Kindern, deren Jahreseinkommen unter einer gesetzlichen Höchstgrenze liegen. Auch würde unterm Strich keine Familie mit einem Jahreseinkommen von weniger als 400.000 Dollar mehr ans Finanzamt abführen, womit Harris zugleich eines von Bidens Wahlversprechen einlösen will.
Ein zentraler Punkt der Harris-Agenda ist auch ihre Kampfansage an Preisabsprachen, insbesondere in der Lebensmittelindustrie. Dass die Teuerungsrate sich nur schleppend auf das zweiprozentige Inflationsziel der Notenbank hin bewegt, begründet die Vizepräsidentin damit, dass Hersteller und der Lebensmittelhandel die Preise künstlich hochhalten. Folglich soll die Kartellbehörde Federal Trade Commission (FTC) umfassende Vollmachten erhalten, um die Konzerne mit Geldstrafen zu überziehen.
Zu kurz kommen bei ihrer Kritik an der Industrie aber die inflationären Folgen der Corona-Pandemie. Ökonomen weisen darauf hin, dass im Vergleich zu anderen Branchen die Gewinnmargen in der Lebensmittelindustrie klein sind. Vielmehr seien es die aus der Pandemie resultierenden Engpässe in globalen Lieferketten, die vor vier Jahren die außerordentlich hohen Preissteigerungen auslösten.
Wohnungsknappheit überwinden
Ein weiterer Eckpfeiler ihrer Wirtschaftspolitik ist die Überwindung der Wohnungsknappheit in den USA. So will die Vizepräsidentin einen Sonderfonds im Wert von 40 Mrd. Dollar einrichten. Das Geld soll verwendet werden, um Unternehmen Anreize zu geben, damit sie erschwingliche Eigenheime für Bezieher mittlerer Einkommen bauen. Den Einstieg in den Häusermarkt will Harris Erstkäufern dadurch erleichtern, dass der Staat ihnen bis zu 25.000 Dollar an Zuschüssen gewährt, um beim Eigenheimerwerb die Anzahlung zu bestreiten.
Schon während der Darlegung ihrer wirtschaftspolitischen Agenda hagelte es Kritik an der Spitzenkandidatin. Einige Ökonomen werfen ihr vor, populistische Ansätze zulasten konkreter, gesetzlich umsetzbarer Programme gewählt zu haben. Unter anderem sei die Forderung, die Besteuerung von Trinkgeldern im Gastgewerbe abzuschaffen, kaum realisierbar. Damit ziele Harris lediglich in Swing States wie Nevada darauf ab, die Stimmen von Bedienungspersonal zu gewinnen. Ähnliches gelte für den Plan, durch Verhandlungen mit der Pharmaindustrie die überhöhten Arzneimittelpreise zu senken. Schließlich haben sich daran bereits einige Präsidenten die Zähne ausgebissen.
Gegenfinanzierung ungeklärt
Die schärfsten Einwände richten sich aber gegen die ungeklärte Frage der Gegenfinanzierung. So rechnet das „Committee for a Responsible Federal Budget vor“, dass das Wirtschaftsprogramm die Neuverschuldung über 10 Jahre um 1,95 Bill. Dollar hochtreiben würde und als Folge der Wohbauförderung sogar 2 Bill. Dollar überschreiten könnte.
Eine Antwort darauf, wo das Geld herkommen soll, gab die Vizepräsidentin, die im Falle eines Wahlsiegs eine Schuldenlast von über 35 Bill. Dollar erben wird, aber nicht. Lediglich, dass die Einnahmen von „höheren Steuern für Unternehmen und Großverdienern kommen werden“, hieß es im Umfeld der Kandidatin.