Ifo-Index zeigt Ruhe vor dem Sturm
Ifo-Index zeigt Ruhe vor dem Sturm
Leichter Anstieg im April − Aber Pessimismus in allen exportorientierten Bereichen − Bundesregierung kappt Prognosen
Die deutschen Unternehmen zeigen sich ungeachtet der erratischen US-Zollpolitik besser gelaunt. Der Anstieg des Ifo-Geschäftsklimas steht damit im Gegensatz zu den bislang veröffentlichten Stimmungsbarometern für April. Die Details aber zeigen ein differenzierteres Bild.
ba Frankfurt
Die deutschen Unternehmen zeigen sich im April noch unbeeindruckt von den Zollkapriolen von US-Präsident Donald Trump. Zwar steigt die Unsicherheit, doch die aktuelle Lage wird besser bewertet, sodass sich die Stimmung insgesamt unerwartet aufhellt. Die in den vergangenen Tagen veröffentlichten Ergebnisse der Umfragen von Sentix, ZEW und S&P Global hatten mit ihren teils heftigen Abstürzen ein Minus des Ifo-Geschäftsklimas nach drei Anstiegen in Folge erwarten lassen. Statt des erhofften Aufschwungs deutet immer mehr auf ein weiteres Rezessionsjahr hin, die Wachstumsprognosen werden derzeit reihenweise gekappt − aktuell auch von der Bundesregierung. Drei Minusjahre in Folge gab es noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik.
Der Ifo-Geschäftsklimaindex legte im April um 0,2 auf 86,9 Punkte zu. Ökonomen, die einen Rückgang auf 85,2 Zähler prognostiziert hatten, warnten denn auch vor zu großem Enthusiasmus angesichts der erratischen Handelspolitik von US-Präsident Donald Trump und der etwaigen folgenden US-Rezession. Zumal die Unterstützung seitens der kommenden Bundesregierung nur spärlich sei, wie etwa Alexander Krüger, Chefvolkswirt bei der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank, anmerkt. „Der Koalitionsvertrag gibt jedenfalls kein Signal für ein ‚Jetzt wird wieder in die Hände gespuckt‘“. Die Standortqualität bleibe angezählt, Strukturreformen lägen auf der langen Bank.
Erwartungen überraschend robust
Daher war auch vor allem bei der Erwartungskomponente ein kräftiges Minus vorausgesagt worden − es waren dann mit 87,4 aber nur 0,3 Punkte weniger als im März. Das Lagebarometer legte sogar um 0,7 auf 86,4 Punkte zu. „Die Unsicherheit unter den Unternehmen hat zugenommen“, ordnete Ifo-Präsident Clemens Fuest das Ergebnis der Umfrage unter rund 9.000 Führungskräften ein. „Die deutsche Wirtschaft stellt sich auf Turbulenzen ein.“
Der Zollkrieg zeigt sich bereits in den Umfragedetails: So ist die Stimmung in Industrie und Handel gesunken, wohingegen die Laune der Dienstleister und in der Baubranche gestiegen ist. Das Bau-Klima erreichte sogar den höchsten Wert seit Mai 2023. „Die größte Hürde bleibt der Auftragsmangel – zumal es mit der Wirkung des Infrastrukturpakets noch dauern wird“, betonte Fuest. Bei den Dienstleistern macht der Ifo-Chef gegensätzliche Entwicklungen aus: Während sich insbesondere im Gastgewerbe die Stimmung aufhellte, verzeichnete der Bereich Transport und Logistik einen Rückschlag. Die Verbesserung des Geschäftsklimas im Dienstleistungssektor steht im Gegensatz zur Einkaufsmanagerumfrage: Hier war es der Servicesektor, der Einkaufsmanagerindex (PMI) für Industrie und Dienstleistern zusammen im April stärker als erwartet auf 49,7 Punkte und damit unter die Wachstumsschwelle von 50 Zählern drückte. Die hiesige Wirtschaft ist damit erstmals seit vier Monaten laut dem Finanzdienstleister S&P Global wieder „in den rezessiven Bereich gerutscht“.
Exportnähe macht den Unterschied
„Alles, was mit Außenhandel zu tun hat, zeigt deutlich nach unten“, sagte Ifo-Umfragechef Klaus Wohlrabe im Reuters-Interview. „Der Pessimismus der Exporteure ist deutlich gestiegen.“ Derzeit dürften sie aber noch von vorgezogenen Aufträgen wegen der Zolldrohungen profitieren. Die Unternehmen „glauben offenbar, sich an die neuen Zustände in der Weltwirtschaft anpassen zu können“, analysiert Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank. Die Hoffnungen ruhten insbesondere auf dem europäischen Binnenmarkt sowie anderen großen Wirtschaftsregionen außerhalb der USA. „Zurzeit ist bereits eine gewisse konjunkturelle Abkoppelung des europäischen Wirtschaftsraums und der Finanzmärkte zu beobachten“, so Kater.
Bundesregierung kappt Prognose
„Die deutsche Wirtschaft stemmt sich gegen die Rezession“, resümierte Wohlrabe. Den Unternehmen falle es wegen der Unsicherheit aber zunehmend schwerer, ihre eigene Geschäftsentwicklung vorherzusagen. Ebenso geht es Ökonomen bei ihren Wachstumsprognosen, die sie derzeit nach unten nachjustieren. Die Bundesregierung hat in ihrer Frühjahrsprojektion für 2025 nun eine Stagnation stehen − zuvor waren es +0,3%. Hauptgrund sei die Handelspolitik der USA, die direkt wie auch indirekt auf die exportorientierte deutsche Wirtschaft einwirkten, erklärte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bei der Vorstellung der Prognose. Der Handelskrieg dürfte das Wachstum um 0,25 bis 0,5 Prozentpunkte drücken. 2026 dürfte sich dann wieder ein BIP-Wachstum von 1,0 (zuvor: 1,1)% ergeben, wenn die finanzpolitischen Maßnahmen der künftigen Regierungskoalition wirksam werden − wie etwa das 500 Mrd. Euro schwere Infrastrukturpaket. Dies sei aber schuldenfinanziertes Wachstum: „Das, was sie nie wollten, kriegen sie jetzt“, sagte er mit Blick auf die Union.
„Aber Geld allein löst kein Problem“
„Aber Geld allein löst kein Problem“, mahnte Habeck. Noch sei unklar, ob und welche Reformen die nächste Bundesregierung umsetzen wird. Die strukturellen Probleme müssten aber schnell konsequent angegangen werden. „Hiervon wird abhängen, ob die deutsche Wirtschaft einen Schub für ihre Wettbewerbsfähigkeit erhält oder ob das viele Geld verpufft.“ Zudem mahnte Habeck, dass sich Deutschland nicht mehr in so starke Abhängigkeiten, wie etwa von russischem Gas, begeben dürfe. „Und wir müssen Abhängigkeiten auch in industriellen und technologischen Schlüsselbereichen wie der Mikroelektronik, der Batteriezellfertigung oder der Pharmabranche entgegenwirken“, sagte er mit Blick auf China. Zudem betonte der scheidende Wirtschaftsminister, „dass die EU und die USA im Rahmen der laufenden Verhandlungen eine Lösung des Zollkonflikts finden“ müssten.
Impulse für das Wirtschaftswachstum erwartet Habeck vor allem von den staatlichen Konsumausgaben, die 2025 und 2026 um 2,1 und 1,4% zulegen dürften. Bei den privaten Konsumausgaben werden trotz stabilisierender Inflation nur Steigerungen von 0,2 und 0,8% prognostiziert. Die Inflationsrate dürfte von +2,2% im vergangenen Jahr auf +2,0% im laufenden Jahr und +1,9% im nächsten Jahr zurückgehen. Die Arbeitslosigkeit dürfte von 6,0% im Jahr 2024 auf 6,3% bzw. 6,2% steigen. Die Anlageinvestitionen in Bauten, die in den vergangenen Jahren rückläufig waren, dürften 2025 erneut sinken, und zwar um 0,4%. 2026 aber erwartet das Ministerium die Wende und ein Plus von 2,4%. Der Export, der unter der von Trump losgetretenen Spirale aus Zöllen und Gegenzöllen leidet, dürfte nach dem Minus von 1,1% im Vorjahr 2025 um 2,2% sinken, bevor 2026 ein Wachstum von 1,3% eintritt.
Bundesbank erwartet weiteren Rückschlag
Die Bundesbank betont in ihrem Monatsbericht gleichfalls, dass „größere stützende Effekte der Fiskalpolitik für die Wirtschaftsleistung mit zeitlicher Verzögerung zu erwarten“ seien, während kurzfristig „zusätzlicher Gegenwind für die Exportwirtschaft durch die US-Zollpolitik“ drohe. Die konjunkturelle Grundtendenz stelle sich insgesamt weiter schwach dar. Im ersten Quartal dürfte das BIP nach dem Rückgang im Vorquartal um 0,2% saisonbereinigt leicht zugenommen haben. Die Wirtschaftsleistung könnte im zweiten Quartal aber einen Rückschlag erleiden, betonte die Bundesbank. Das Statistische Bundesamt veröffentlicht am Mittwoch eine erste Schätzung für die BIP-Entwicklung im ersten Quartal.
